Um einer irrtümlichen Auffassung vorzubeugen, sei hiermit darauf hingewiesen, daß der Vorsitzende im Gesamtvorstande, Dr. Köhler, seinen Artikel in der drittletzten Nummer des Vereinsorgans veröffentlicht hatte, um zu Beiträgen für ein von ihm herauszugebendes Sammelwerk über erzgebirgische Sagen aufzufordern. Alle in diesem Sinne gemeinten Sendungen sind an den genannten Herrn zu richten, während alle an die Redaktion dieses Blattes eingehenden Beiträge als für dieses bestimmt in Zukunft werden angesehen werden.
Die Red.
Der Teufelsstein bei Lauter.
Gewiß ist schon manchem, der mit dem Dampfroß von oder nach Schwarzenberg gefahren, unter den im raschen Wechsel dem Auge sich darbietenden Landschaftsbildern eine phantastische Felsenpartie aufgefallen, welche sich zwischen Untersachsenfeld und Lauter auf dem rechten Ufer des Schwarzwassers mit weitem Vorsprunge jäh aufsteigend zu nicht unbeträchtlicher Höhe (ca. 150 m) erhebt. Es ist dies der zur Bernsbacher Flur gehörige und z. Z. im Besitztum der dicht am Fuße liegenden Müllerschen Fabrik sich befindende sogenannte Teufelsstein. Derselbe bildet das Vis-à-Vis des noch bedeutend höheren, schön bewaldeten Geringsberges, welcher jenseits des in mächtiger Kurve vorüberströmenden Schwarzwassers zwischen Neuwelt und Lauter emporsteigt (ca. 500 m über dem Ostseespiegel), ist im Ganzen kahl und nur teilweise an seinen Abhängen sowie auf seinem nach der Bernsbacher Berglehne auslaufenden Rücken (mit prächtigem Weg nach Untersachsenfeld) von jungem Nadelholzbestande bekleidet. Dürfte auch der Teufelsstein in weiteren Kreisen noch wenig und zumeist nur dem Namen nach bekannt sein, so wird er doch, ganz abgesehen von der Jugend, bei welcher er als Tummelplatz für Spiel und Kampf von jeher beliebt gewesen ist, von manchem Naturfreunde aus der Nähe gern und oft besucht. Und mit Recht! Von seiner Felsenhöhe aus bietet der Teufelsstein einen zwar nicht weiten, aber höchst fesselnden Blick auf die umliegende Gebirgslandschaft mit ihrer reichen Szenerie und es kann daher sein vom Besitzer gern gestatteter Besuch nur empfohlen werden, zumal da derselbe vom Bahnhof Lauter aus höchst bequem in ca. 5 Minuten zu ermöglichen ist. — Ein besonderes Interesse erhält der Teufelsstein noch durch den Nimbus mehrerer sagenhaften Deutungen seines Namens, bei welchen freilich ältere und neuere Dichtungen wirr durcheinander gehen, wie sie sich denn überhaupt nur in Bruchstücken und zwar sehr vereinzelt hie und da im Volksmunde bisher erhalten haben.
Nach den Einen bezeichnet die Sage den Teufelsstein als ein verwunschenes Schloß, welches kostbare Schätze in seinem Innern birget und von Jahr zu Jahr des Tages seiner Erlösung aus der Hand des „Bösen” und der Hebung seines reichen Gutes harret — doch bis jetzt vergebens. Noch immer liegt es — ein grausiger Teufelsstein — verzaubert unter mächtigen Felsenblöcken. Zwar ist ein Schlüssel, durch dessen wunderbare Macht die verborgenen Zugänge unwiderstehlich sich öffnen, vorhanden, doch noch niemandem ist es gelungen, hineinzudringen. Der Schlüssel ist eine gelbe Blume, welche alljährlich im Frühjahr aufs neue emporsprießt und ihren Wunderkelch entfaltet. Ein Schäfer aus Beierfeld, welcher dort vor vielen Jahren seine Herde weidete, fand sie eines Tages und pflückte sie. Alsbald merkte er, wie sich in seiner Nähe geheimnisvoll eine Felsenspalte öffnete und verwundert schaute er in eine Höhle, aus deren Hintergrunde ihm zauberischer Goldesschimmer entgegenblickte. Da er jedoch die Mahnung des am Eingange sitzenden bärtigen Wächters in grauem Hute, still zu bleiben, nicht beachtete, sondern einen lauten Ausruf des Erstaunens ausstieß, so schloß sich ebenso geheimnisvoll und schnell die Öffnung wieder und hat sich bis heute noch nicht wieder aufgethan. —
Nach Anderen ist der Name Teufelsstein verfälscht und lautet eigentlich „Taufenstein”, weil sich von den mehrfach auf oder zwischen Felsen vorkommenden Taufsteinen (bez. Taufbecken) aus alter Zeit auch hier ein solcher befunden habe. Eine dritte, etwas frivole Deutung möge unberührt bleiben. —
Zum Schluß nur noch der gewiß nicht uninteressante Hinweis, daß auch in der Kyffhäusersage eine Blume (jedoch von blauer Farbe) als Zauberschlüssel eine wichtige Rolle spielt. Weitere Mitteilungen über die höchst beachtenswerte geologischen Verhältnisse des Teufelssteines bleiben vorbehalten.
R.
Der Schön-Jungfern-Grund.
Wer von Neudorf nach Oberwiesenthal wandert und die Richtung durch den Wald nach dem Fichtelberg einschlägt, kommt nach seinem Austritt aus dem Walde zuerst bei dem roten Vorwerke, sodann auf der andern Seite bei dem weißen Vorwerke vorbei und hierauf an den Schön-Jungfern-Grund, einen tiefen, von der Höhe des Fichtelberges beginnenden und sich nach Osten ziehenden Einschnitt. In diesem Grunde liegt oft der Schnee in schneereichen Wintern viele Meter tief und zeigt noch schmutzig weiße Reste im Spätfrühling, wenn längst schon Feld, Wiese und Wald sich grün geschmückt haben. Die Sonne kann ihm nicht gut beikommen und das herabrieselnde Gewässer kann nur den tiefliegenden fortbringen. So erklärt es der gewöhnliche Verstand. Die Sage weiß es anders und zwar so: Vor langen Zeiten stand hier ein schönes Schloß und darin wohnten noch schönere Burgfräulein. Darauf kamen böse Raubritter, zerstörten das Schloß und ermordeten die schönen Jungfern. Sie leben aber doch noch, wohnen im Innern des Berges und bleichen im Frühling ihre Leibwäsche. Aber welche Wäsche?!
Der Katzenhans und seine Genossen.
Wandert der Gebirgsreisende von Annaberg nach dem am östlichen Bergabhange des Katharinenberges gelegenen freundlichen und gewerbreichen Buchholz, folgt der Chaussee, die dasselbe durchschneidet, so sieht er am Ende, nicht weit von der Begräbniskapelle rechts am Ende des Waldes auf einem Felsenvorsprunge ein nettes Bellevue. Dies bildet den Anfang schöner Anlagen, die sich weithinein in den Wald erstrecken, von Buchholzer Naturfreunden hergestellt worden sind und zur Erholung der Einwohner dienen sollen. Überschreitet der Reisende hierauf die Eisenbahn und eine Brücke, so gelangt er zu einer Spinnfabrik, hinter welcher eine kleine, alte Mühle, die sogenannte Katzenmühle, steht. Von dieser Mühle erzählt die Sage (1. Ziehnerts Volkssagen), daß einst in einem zu derselben gehörigen Stalle der Teufel sein Wesen getrieben und einige Zeit darauf ein Bärenführer seine zwei Bären nach einigen Bedenken des Müllers die Nacht über darin eingestellt habe, die den Teufel nach großen Lärm vertrieben hätten. Mehrere Tage darauf sei der Teufel im Walde zu dem Müller gekommen und habe ihn gefragt, ob er seine Katzen noch habe. Diese Frage sei vom Müller bejaht worden, worauf der Teufel sich schnell entfernt hätte und nie wiedergekehrt wäre. — Der Weg führt nun durch ein langes Thal, in welchem die Sehma fließt und die Dörfer Sehma, Cranzahl und Neudorf liegen. Zwischen den Feldern von Neudorf und Crottendorf, also westlich, liegt ein schmaler Streifen Staatswald, die Braunelle genannt, in welchem die Sage den Katzenhans nachts sein Wesen treiben läßt. Sein weithin tönendes, vulgo hollerndes Geschrei schreckt den Einsamen und treibt ihn auf Irrwege. Zuweilen begiebt er sich auch durch die Luft über Crottendorf hinweg nach einer sumpfigen Gegend zwischen diesem Ort und Scheibenberg, um allda sein Wesen zu treiben. Die Sage berichtet aber nicht mehr, wer jener Katzenhans gewesen sei und woher es komme, daß er grade dort sein Wesen treibe. Gewiß ist, daß die Eulen ihm treffliche Dienste leisten. Sein Parteigänger ist der Glasmeister mit sehr großen Glasaugen, der in der obern Braunelle, da, wo die Straße von Neudorf nach Crottendorf den Wald durchschneidet, den Wanderer in der Nacht schreckt und irre führt. Ob sein Herkommen auf die ehemalige Glashütte in Obercrottendorf zurückzuführen ist, weiß aber Niemand zu sagen. — Ist nun der Fußgänger des Nachts auf dem zuletzt erwähnten Wege glücklich durch Obercrottendorf und ein gutes Stück auf der Straße nach Scheibenberg weiter gekommen, so begleitet ihn ohne Bestellung und Entgelt eine Laterne eine gute Strecke. Vielleicht hatte sie früher ihr Licht aus den dortigen Sümpfen erhalten. — Kehren wir nach Neudorf zurück. Die Sage berichtet uns hier von einem zweiten Kameraden des Katzenhans, dem Bachreiter, der zuweilen nachts den Sehmabach auf und ab durchschreitet und durch sein Erscheinen Unglück verkündet, wenigstens mach er darauf aufmerksam, daß in der Nähe des Ortes, wo die Hufeisen seines Rosses Funken schlagen, bald ein Feuer entstehen werde.
F. A. Türke, Cantor emer.
Quelle: Glückauf! Organ des Erzgebirgsvereins. 2. Jahrgang. No. 3 v. 15. März 1882, S. 24 – 26.