Schwarzenberg, 9. Juli. Der eifrigen Thätigkeit des Erzgebirgsvereins ist es zu danken, daß jüngst zu einer Reihe schöner Punkte unseres vaterländischen Gebirges die Wege geebnet und durch geeignete Turmbauten umfassende Ausblicke von denselben ermöglicht wurden. Zahlreicher Besuch von nah und fern lohnt die schaffensfreudigen Zweigvereine und gewährt ihnen die Genugthuung, daß man ihre Schöpfungen würdigt und im Niederlande und im Erzgebirge selbst den Schönheiten des letzteren immer höhere Beachtung schenkt. So sind in dem kurzen Zeitraume von vier Jahren unter dem Beifall der Bevölkerung die Turmbauten des Gleesberges, Kuhberges, Lugberges, der Remtengrüner Höhe, des Borberges, des Kaiser Josef und Spiegelwaldes entstanden. Nur wenig und ganz vereinzelte Stimmen haben sich gegen die Unternehmungen gewendet und darunter herrscht namentlich die vor, daß die Thätigkeit der Erzgebirgsvereine in eine wahre Bauwut auszuarten drohe. Gegen eine solche Auffassung muß aber ganz entschieden protestiert werden, denn wenn auch in verhältnismäßig kurzer Zeit manches, vielleicht sogar viel geschehen ist, so war es bisher immer nur Notwendiges und Nützliches. Weil früher gar nichts gethan wurde, ist der Umschwung jetzt nur um so augenfälliger. Es kann ja auch keinem Verein ernstlich beikommen, untergeordnete Punkte, die es nicht lohnen, mit Türmen zu versehen, denn Türme kosten Geld. Auch wird wohl niemand einen Turm bauen, wenn die Höhe an sich schon ein umfassendes Rundgemälde bietet und es die Gestalt derselben überflüssig macht, den Besucher über das Terrain, Holzbestände und dergl. herauszuheben. Bis jetzt ist in dieser Beziehung wenigstens noch nicht gesündigt worden, und der gesunde Sinn in den Vereinen ist auch ein viel zu entwickelter, als daß etwas der Art zu befürchten wäre. Ein kundiger Blick auf das Erzgebirge wird vielmehr bald herausfinden, daß den Vereinen noch viel zu thun übrig bleibt und es an mancher Stelle sogar hohe Zeit hierzu ist.
Die Absicht dieser Zeilen soll die Aufmerksamkeit der Erzgebirgsfreunde auf eine Höhe lenken, die als Aussichtspunkt schon längst gebührend geschätzt ist, in neuerer Zeit aber als solcher durch heranwachsenden Holzbestand dem Touristen verloren zu gehen droht. Es ist dies die Morgenleithe, jener weithin sichtbare, langgestreckte Rücken, welcher sich rechts der Chaussee von Schwarzenberg nach Eibenstock bis zur Höhe von 813 m erhebt und im oberen und unteren Sachsenstein in der Richtung nach Aue hin seine Verlängerung findet. Die Morgenleithe, oder wie man sie nennen könnte, der hohe Sachsenstein, bietet eine Aussicht ersten Ranges, einerseits von Reiboldsgrün bis hinüber zu den Reitzenhainer Höhen und andererseits vom Erzgebirgskamm bis in das unterhalb Zwickau gelegene Tiefland, und der Großartigkeit des Panorama´s entsprechend ist die Beachtung gewesen, welche ihr in dieser Hinsicht gezollt wurde. Ihrer Lage nach gehört die Morgenleithe gleichmäßig in das Gebiet der Zweigvereine Auer Thal, Bockau, Schneeberg und Schwarzenberg, auch Eibenstock, Lößnitz und Spiegelwald könnten mit genannt werden. Der höchste Punkt des Rückens wurde seit langem schon durch den Herrn Forstmeister a. D. Ritter etc. Täger von Lauter, jetzt in Hosterwitz, mit einem Hörnermast ausgezeichnet, während die nördliche Erhebung durch eine den übrigen Holzbestand weit überragende alte Wettertanne markiert ist. Auf der südliche 813 m hohen Aussichtsstelle wächst nun jetzt das Holz so mächtig heran, daß man in kurzer Zeit nicht mehr über dasselbe hinwegsehen kann, und da das Besteigen eines Hörnermastes nicht jedermanns Sache ist erscheint die Aussicht wesentlich gefährdet. Die Rettung derselben war bereits auf der letzten Delegiertenversammlung in Chemnitz angeregt worden, und Verfasser dieses erlaubt sich, dieselbe in einer der Wichtigkeit der Sache angemessenen Weise hiermit dringlich in Erinnerung zu bringen. Der von Schwarzenberg ausgehende Vorschlag war folgender: Es möchten eine Anzahl Zweigvereine und zwar namentlich die vom Auer Thal, Bockau, Crimmitschau, Eibenstock, Glauchau, Lößnitz, Schneeberg-Neustädtel, Schwarzenberg und Zwickau die Angelegenheit gemeinschaftlich aufnehmen, jährlich je 30 Mark zu einem Morgenleithe- oder Sachsensteinfond zusammenschießen und zunächst im künftigen Jahre ein 5 m hohes hölzernes Aussichtsgerüste nebst Unterstandshütte um den mehr gedachten Hörnermast, nach Ablauf von 10 Jahren oder einen massiven Sachsenturm, letzteren von edlem Baumaterial und in schönen architektonischen Formen errichten. Das Erzgebirge erhält durch ein solches Zusammenwirken der Einzelkräfte ein Baudenkmal, wie es zur Zeit nur wenige aufzuweisen hat, und die Dankbarkeit der Bevölkerung und der Naturfreunde ist den beteiligten Vereinen für alle Zeit gesichert. Der Gesamtvorstand, welcher die Angelegenheit freudig zu unterstützen gemeint ist, wird die Güte haben, Beitrittserklärungen zur Vereinigung und Beiträge zum Sachsensteinfond entgegen zu nehmen und die Gelder bis zur Ausführung des Turmbaues zu verwalten. Wir hoffen, daß dieser Appell an die geehrten Brudervereine ungeteilte Sympathie und reiche Unterstützung erfahren möge und grüßen mit einem zuversichtlichen Glück auf!
Quelle: Glückauf! Organ des Erzgebirgsvereins. 2. Jahrgang. No. 7 v. 15. Juli 1882, S. 65 – 66.