Als der Unterzeichnete von Johanngeorgenstadt aus, wo derselbe der Einweihung des Königin-Carola-Turmes beigewohnt hatte, seine leider durch anhaltend schlechtes Wetter zu früh abgebrochene Reise weiter durch unser Gebirge fortsetzte, war es in erster Linie seine Absicht, mit den Vorständen einzelner Zweigvereine in persönlichen Verkehr zu treten, sodann aber auch richtete sich sein Augenmerk auf Wegemarkierungen, Wirtshausverhältnisse, Fremdenbücher u. dgl. mehr. Einige Beobachtungen mögen hier mitgeteilt werden:
- Allgemeine Anerkennung seiten der Touristen haben die von den sächsischen Erzgebirgsvereinen gesetzten Wegweiser gefunden; es wäre jedoch zu wünschen, daß man auf denselben noch häufiger, als dies bis jetzt der Fall ist, die Entfernungen angäbe. An manchen langen Wegstrecken, welche von verschiedenen andern Wegen durchschnitten werden, möchten auch die Zweigvereine nicht mit weißen oder andersfarbigen Strichen an Steinen und Bäumen sparen.
Auf dem böhmischen Teile des Erzgebirges hat der Unterzeichnete übrigens nicht bloß jetzt, sondern auch auf früheren Touren recht sehr die Wegweiser vermißt. Um nur einen Punkt anzuführen, so ist z. B. im Walde zwischen Schmiedeberg und dem Kupferhügel, da, wo sich nach dem zweiten Bahnübergange der Weg einerseits nach dem Kupferhügel, andrerseits nach Orpus teilt, unbedingt ein Wegweiser nötig. Vielleicht sieht sich der böhmische Nachbarverein Schmiedeberg veranlaßt, an der genannten Stelle einen Wegweiser setzen zu lassen. - Über Wirte in den größeren Orten werden nach meinen Erfahrungen nicht zu anspruchsvolle Touristen wohl kaum zu klagen haben; selbst in kleinen Orten habe ich meist ein einfaches Mittagbrot und ein Glas trinkbares Bier gefunden. Wünschenswert ist es jedoch, daß man sich noch mehr darauf einrichtete, schnell eine Tasse guten Kaffee herstellen zu können, deren Genuß ja für viele Touristen nicht bloß bei kühler Witterung, sondern auch an einem heißen Tage nach einem erhitzenden Marsche zum Bedürfnisse geworden ist. Die Entschuldigung mancher Wirte und Wirtinnen: „Es thut mir leid, wir haben kein Feuer mehr!” sollte ganz wegfallen, da diesem Übelstande leicht begegnet werden kann, wenn man sich eine billige Kaffeemaschine anschafft.
Meiner Meinung nach müssen die Touristen auch die „Schnitzel” und „geschmorten Kartoffeln”, wenn sie dieselben Tag für Tag angeboten erhalten, überdrüssig bekommen. Ein tüchtiges Stück Rindfleisch mit rechtschaffenem Gemüse wird bei ihnen nach und nach zu einer wahren Sehnsucht. — Klagen von Touristen über Wirte sind mir nur ganz vereinzelt zu Ohren gekommen; in einigen Fällen halte ich sie für unbegründet, in anderen konnten sie nicht durch Rechnungen sicher belegt werden, so daß ein Einschreiten unmöglich ist. Zwei oder drei Touristen aus Leipzig beklagten sich darüber, daß ihnen in einer kleinen Stadt des oberen Gebirges für das Zimmer mit Bett 2 M abverlangt worden sei, da sie an andern Orten höchstens 1 M 50 Pf dafür bezahlt hätten. Wenn man nicht die Zimmereinrichtung kennt und nicht weiß, welche besonderen Ansprüche von den reisenden Herren noch an den Wirt gestellt wurden, so läßt sich inbetreff des oben genannten Preises nachträglich nicht gut urteilen. Der Unterzeichnete findet auf seinen Rechnungen z. B. das Logis in Zöblitz (weißer Hirsch) bloß mit 1 M 20 Pf, in Olbernhau (Hôtel Gerichtsschenke) zugleich mit Hinzurechnung des Kaffees mit 1 M 50 Pf und in Johanngeorgenstadt (Hôtel de Saxe) gar nur mit 1 M angesetzt, durchgängig Preise, welche jeder gewiß als ganz billige bezeichnen muß. Wenn man für das Logis auf dem Kupferhügel in Böhmen (Balkonstube) 80 Kreuzer, also damals = 1 M 38 Pf berechnete, so wird dies jeder, der noch dazu die eigentümliche Lage dieses Gasthauses berücksichtigt, sehr niedrig finden. Eine Anzahl Rechnungen, welche belegen würden, daß für die Logis von den Wirten unsers Gebirges ganz der Sache entsprechende Preise angesetzt werden, sind dem Unterzeichneten leider abhanden gekommen. - Die Fremdenbücher müssen an den meisten Orten noch mehr von den Wirten überwacht werden. Abgesehen von faden Witzen und manchen Albernheiten, finden sich in ihnen auch stellenweise ganz gemeine Zoten, so daß der anständige Reisende Bedenken tragen muß, solches Fremdenbuch einer Dame zu überreichen. So fand der Unterzeichnete z. B. unter dem 24. Juli d. J. in dem Fremdenbuche des Gasthauses auf dem Kupferhügel eine Zote, wie sie nicht ordinärer sein kann, unterschrieben mit dem vollen Namen; sie wurde mit Vorwissen des Wirtes herausgeschnitten und von dem Unterzeichneten, welcher sich noch weitere Schritte in dieser Angelegenheit vorbehalten hat, mitgenommen. Derartige gemeine Äußerungen in einem Fremdenbuche sind öffentliche Verletzungen der Sittlichkeit. Es kommt vor, daß von dem und jenem, wir wollen annehmen Angetrunkenen, alberne Bemerkungen zu dem Namen eines früheren, ihm vielfach völlig unbekannten Besuchers gemacht werden. Wer wird seinen Namen dann noch in ein ausliegendes Fremdenbuch, wenn es nicht besser überwacht wird, eintragen wollen? Überwachen aber sollen nicht nur die betreffenden Wirte, sondern das können häufig auch diejenigen Touristen, welche gleichzeitig mit anwesend sind.
Bei dieser Gelegenheit möge noch eine Bemerkung gestattet sein. Es finden sich in den Fremdenbüchern auch vielfach hübsche Gedanken, oft eingekleidet in entsprechende poetische Form. Möchten solche dichterische Ergüsse doch von solchen, welchen dazu Gelegenheit geboten ist, gesammelt und für das Glückauf zusammengestellt werden. Die Redaktion würde diese Gaben gewiß mit Dank annehmen.
Für diesmal mag es mit den Reisebemerkungen genug sein; es findet sich schon Gelegenheit, später damit fortzufahren.
Dr. Köhler.
Quelle: Glückauf! Organ des Erzgebirgsvereins. 2. Jahrgang. No. 8 v. 15. August 1882, S. 72 – 73.