Am 16. November d. J. hat die Museumsgesellschaft in Annaberg das Fest ihres 75jährigen Bestehens feierlich begangen. Die Bedeutung dieser Gesellschaft reicht weit über die Mauern von Annaberg hinaus, sie war von jeher von Wert und Wichtigkeit für das geistige und gesellige Leben im ganzen oberen Erzgebirge. Der Gründungstag ist der 16. November 1814. De napoleonischen Kriege waren in der Hauptsache vorüber, unser Vaterland fing an wieder aufzuathmen, da traten 20 der angesehensten Bürger von Annaberg zusammen und erließen ihren Aufruf zum Beitritt. An der Spitze stand der berühmte Theolog, Dr. Bretschneider, damals Superintendent in Annaberg, später Oberkonsistorialrat und Generalsuperintendent in Gotha. Es traten sofort 353 Personen, und zwar 182 Herren und 171 „Frauenzimmer” bei. Die Herren erscheinen zum Teil noch, und zwar bis zum Jahre 1828, unter dem ehrenvollen Titel „Meister” in der Mitgliedsliste, erst von da ab erscheint das moderne „Herr”. Bei den Frauenzimmern erhielt sich der Titel „Jungfer” und „Demoiselle” bis zum Jahre 1838, von da ab heißen sie „Fräulein”. Bei den verheiratheten Frauen aber machte das französische „Madam” erst 1850 dem guten deutschen „Frau” Platz. Versammlungsort war ursprünglich das sogenannte „Ballhaus”, jetzt ein einfaches Geschäftshaus am Steinweg. Die Frauen und Mädchen erschienen in der alten guten Zeit zu den allgemeineen Unterhaltungsabenden in Kattunkleidern mit vorgebundener einfacher Schürze und den Strickbeutel, die Herren mit der langen Pfeife oder auch mit einer kurzen thönernen Pfeife und dem Tabaksbeutel. Der Tanz, welcher der Unterhaltung folgte, dauerte nur ganz kurze Zeit bis Abends 11 Uhr. „Auf die Polonaise hatte ein Menuett zu folgen; die zusammen nicht über eine halbe Stunde dauern durften, daran hatte sich ein langsamer „Länderer” zu reihen, dann erst durfte eine „Ecossaise” oder eine Quadrille getanzt werden”. Den Gesang begleitete man sich mit der Guitarre, denn ein Pianoforte besaß die Gesellschaft nicht. Diese einfachen Verhältnisse muten uns heute ganz eigentümlich an, und doch wieviel Gutes lag darin, und sicher haben sich die damals Lebenden dabei ebenso vergnügt gemacht, wie ihre Nachfolger heute im eleganten Konzert- und Ballsaal. Schon 1819 erwarb die Gesellschaft ein Eckhaus am Markt, das jetzige Museum, um 3500 Thaler. Im Jahre 1851 ward in dem Gebäude seitens der Gesellschaft auch ein Gasthaus errichtet, das „Gasthaus zum Museum”. Man hoffte dadurch die finanzielle Lage der Gesellschaft zu verbessern, welche inzwischen, namentlich durch die notwendig gewordenen Bauten, eine mißliche geworden war. Als dies nicht gelang, ward das Haus verkauft. Es befindet sich seit 1862 in dem Besitz des gegenwärtigen Eigenthümers, des Hoteliers Franz Jäger. Nachdem auf diese Weise die finanziellen Sorgen von der Gesellschaft genommen waren, konnte sie sich nur um so kräftiger entwickeln.
Quelle: Glückauf! Organ des Erzgebirgsvereins. 9. Jg. Nr. 11 u. 12, v. November und Dezember 1889, S. 122.