Titelbild eines alten „Annabergischen Gesangbuchs”.

Erzgebirgisches Sonntagsblatt 119. Jahrgang, Nr. 31, 1. August 1926, S. 2

Wie viele bedeutendere Städte unseres engeren und weiteren Vaterlandes (Dresden, Leipzig, Zwickau, Halle, Magdeburg, Lüneburg usw.), so erfreute sich auch unser Annaberg bis tief in das vorige Jahrhundert hinein seines eigenen Gesangbuchs. Ein vor uns liegendes Stück trägt den Titel „Annabergisches Gesangbuch unter hoher Genehmigung herausgegeben. Mit Churfürstl. Sächsischem Privilegio. St. Annaberg, im Verlage des Waisenhauses 1798.” Es enthält einen 592 Seiten umfassenden Hauptteil mit 837 Kirchenliedern und als Anhang die 80 Seiten starken „Andachten für die häusliche und öffentliche Gottesverehrung. Aus mehreren guten Schriften zusammengetragen, und zur Verbindung mit dem neuen Annaberger Gesangbuche bestimmt”. Der vorderen Titelseite gegenüber befindet sich ein Titelbild (in Zweidrittelgröße nebenstehend wiedergegeben), ein für damalige Zeit schöner und klarer Stahlstich mit der Signatur „Püschel fecil”. Es zeigt uns am Oberrande die heilige Dreieinigkeit, umgeben von einem Wolkenkranze, aus dem sechs Engelköpfchen hervorschauen. In der darunter erkennbaren Apsis der Kirche kniet links ein lorbeergeschmückter Sänger des Herrn, dessen Munde — nach dem Oberteile des Bildes zu gerichtet — die Worte entströmen:

„Gloria in Excelsis Deo”.

Ein auf seinen Knien ruhendes Buch läßt die Worte erkennen:

„Singet und Spielet dem Herrn in eurem Hertzen”., während ein auf den gegenüberstehenden Altar gelehntes, aufgeschlagenes Buch den (orthographisch nicht ganz einwandfreien) Vers:

„Wenn ich in Nöthen Beth und Sing,
So wird mein Hertz recht guter Ding” zeigt.

Etwas unter der Mitte des Bildes hat uns der Zeichner das Stadtwappen von St. Annaberg, welches mitsamt dem Namen von Kaiser Maximilian am 22. März 1501 1) der Stadt verliehen wurde, veranschaulicht.

Als ganz besonders interessant ist das Stadtbild auf dem unteren Teile des Titelbildes anzusprechen. Im Hintergrunde erhebt sich der damals noch unbewaldete Pöhlberg (auf dem Bilde mit „Biel Berg” bezeichnet) und unmittelbar am Fuße desselben sehen wir die alte Ziegelscheune liegen. Weiter links zeigt sich die am 28. September 1826 abgebrannte Hospitalkirche mit den anliegenden Hospitalgebäuden, die damals gleichfalls ein Raub der Flammen wurden, und einige anliegende Vorwerke. Nicht weit davon entfernt befindet sich, in die sonst trefflich abgebildete Stadtmauer eingebaut, das Wolkensteiner Tor und ihm gegenüberliegend auf der anderen Stadtseite das Buchholzer Tor; unterhalb des letzteren führt durch das „Stufenpförtlein” ein Weg nach den „Hütten”.

Wenn auch zu jener Zeit unser Annaberg kaum mehr als 4200 Einwohner zählte, so mag es uns dennoch scheinen, als ob der Zeichner uns innerhalb der Stadtmauern zu viel leeren Raum zeigte und mitunter auch die Perspektive etwas verloren hat. Viele Häuser oder Häusergruppen, die erwiesenermaßen damals schon standen, vermissen wir. Deutlich erkennen wir rechts von der Mitte die St. Annenkirche und verhältnismäßig weit nach links davon entfernt und in großer Nähe des Wolkensteiner Tores den an einer mächtigen Wetterfahne erkennbaren Rathausturm. Nicht weit unterhalb des letztgenannten Tores zeigen sich dem Beschauer die Ruinen der ehemaligen Klosterkirche. In kleiner Entfernung nach rechts von derselben steht mit ihrem schlanken Türmchen die Bergkirche.

Dem Zwecke des ganzen Bildes entsprechend setzt der geistliche Dichter folgenden Vers unter dasselbe, der auch zugleich den Schluß unserer heutigen Betrachtung bilden mag:

„Laß werthe Stadt bey dir die Andacht nicht erkalten,
Gott wird mit seinem Schutz getreulich bey dir halten.”

—m.—

1) Maximilian war damals noch römisch-deutscher König. Zum Kaiser wurde er erst am 4. Februar 1508 gewählt.