Feuer im Kurhaus Wiesenbad vor ca. 60 Jahren

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 23. Sonntag, den 3. Juni 1928. S. 1 – 2.

Der denkwürdige 6. Mai des Jahres 1869.

Das Kurhaus Wiesenbad im Jahre 1869.

Nachdem die Pfingstenzeit soeben vorüber ist, wollen wir heute einer Begebenheit gedenken, die sich um diese Zeit an einem Himmelfahrtstage vor nunmehr fast 60 Jahren — am 6. Mai 1869 — im alten Wiesenbad ereignet hat. Unser Bild zeigt das Kurhaus, das Quellhaus und all die übrigen bekannten Gebäude, die sich in den Jahrzehnten nicht viel verändert haben. Der 6. Mai des Jahres 1869 war aber ein kritischer Tag in der Geschichte des in neuerer Zeit so viel besuchten Bades. Wir sehen es auf dem Bilde: „Der rote Hahn” sitzt oben auf dem Dachgebälk und die Flammen drohen dem stattlichen Gebäude mit einer Feuersbrunst, die unter Umständen das Kurhaus hätten völlig einäschern können, wären nicht so viele Hände hilfsbereit gewesen, das gefährliche Element zu zähmen. — Eigenartig muten uns auf dem Bild die Herren mit dem Zylinder auf den Kopf an. Sogar auf dem Dache sieht man befrackte Herren im Zylinder sitzen und man fragt sich mit Recht, was diese Feiertagsbekleidung mit der Feuerwehr zu tun ha. doch wenn man die Geschichte dieses Brandes kennt, kommt man sehr bald der Ursache auf die Spur. Dieser Himmelfahrtstag des Jahres 1869 war für Wiesenbad gewiß als ein Feiertag für die Bevölkerung des Obererzgebirges proklamiert worden. Es war ein Tag, an dem man den Sieg menschlicher Technik begehen wollte. Himmelfahrtstag sollte nicht nur im biblischen Sinne begangen werden, sondern — höret und staunet — die Menschen jener Zeit wollten selbst den Versuch wagen, einen Ballon in des Himmels Blau hinein zu entsenden. Am 6. Mai 1869 stieg in Wiesenbad — wie uns erzählt wurde — ein Freiballon auf. Man war damals noch nicht so weit, daß man solche Ballons mit Gas füllte, sondern man bedurfte einer Flamme zur Entwicklung von Wärme, die den leichten Ballon emportrieb. Nachdem der festliche Akt, dem die Herren im Frack und Zylinder beiwohnten, vorüber war, stieg der Ballon auch wirklich auf; aber — o Tücke des Geschickes — ein sanfter Wind trieb den Ballon unglücklicherweise direkt auf das Türmchen des Kurhauses zu und setzte dieses in Brand. Im Nu schlugen auch helle Flammen aus dem Gebälk — das Kurhaus brannte. Große Aufregung bemächtigte sich nun der Festbesucher und man mußte erkennen, daß doch alle menschliche Vernunft und Technik eitel Spielball von Geschickes Mächten blieb. Mit Eimern und Kübeln versuchte man vom Boden aus nach dem Türmchen zu gelangen und das Feuer zu ersticken. Eine kleine Feuerspritze, die man besaß, wurde mobil gemacht, es gelang aber nicht, des Feuers Herr zu werden. — Da kam den Wiesenbadern ein glücklicher Umstand zu gute. In dem Augenblick des Feuerausbruches passierte der Zug von Chemnitz nach Annaberg die Strecke und die Fahrgäste hatten die Nachricht von dem Feuer mit nach Annaberg gebracht. Hier erfuhr dies auch der Postillon Schubert, der Vater des noch heute in Annaberg amtierenden Hospitalverwalters Schubert, der an diesem Himmelfahrtstage neue Pferde für die Schwarzenberger Post beim Postverwalter Jäger einritt. Kaum hatte dieser wackere Postillon von der Gefahr, in der das Kurhaus Wiesenbad sich befand, erfahren, als er auch schon mit seinen neuen Pferden nach dem Standort der Annaberger Landspritze ritt, die Tiere einspannte und, wie er war — mit weißer Hose angetan — nach der Wiesenbader Brandstelle jagte. Auf unserem Bilde sehen wir den braven Postillon mit seiner Landspritze (im Vordergrund des Bildes) gerade ankommen. Bald gab man nun auch aus dieser großen Landspritze Wasser und das Feuer mußte jetzt unter dem nassen Element ersticken. So wurde der brave Postillon mit zum Retter des schönen Wiesenbader Kurhauses, an dem wir heute noch unsere Freude haben. — Der 6. Mai 1869 gestaltete sich nun doch noch zu einem Tag des Frohsinnes, der bei den Festteilnehmern bald wieder einzog. Dem Postillon Schubert wurden an demselben Tage 3 Prämien verliehen, die er nicht nur für diese seine wackere Tag, sondern auch für andere Verdienste überreicht bekam. — Das Kurhotel Wiesenbad befand sich damals im Besitz von „Hohls Erben”. Als damaliger Verwalter wird uns ein Herr „Hahn” genannt.

Das Bad hat bekanntlich mehrfach Besitzwechsel gehabt: Die Chronik verzeichnet als Besitzer des Bades die nachfolgenden Namen: 1578 Stephan Hünerkopf, 1633 Georg v. Schönberg, 1718 Graf Watzdorf-Lichtenwalde, Graf Wallwitz, A. G. Eisenstuck, Annaberg, Familie Wecke-Wiesa, 1863 die obengenannte Familie Hohl-Annaberg, 1881 Dr. Josianek, seit 1896 bekanntlich Fabrikbesitzer Willy Meyer, der sich um die Modernisierung und um den Ausbau des Bades ganz besonders verdient gemacht hat. Die Glanzzeit des alten Bades war in den Jahren, in denen Sophie, die Witwe des Kurfürsten Christian I. (1591) hier wiederholt mit Gefolge weilte und ein besonderes „Fürstenhaus” mit Bad errichten ließ, das „Sophienbad”, das auch von anderen Mitgliedern fürstlicher Häuser besucht wurde! Auch Kurfürst Vater August hatte sich um das Bad besonders verdient gemacht, indem er die Wildwässer abfangen ließ und die Quelle gegen fremde Zuflüsse schützen ließ. Das Bad hat jedenfalls eine sehr interessante Geschichte, die zu erörtern freilich heute nicht Raum genug in unseren Heimatblättern ist.

Das Bild und die Erzählung von dem Vorgang an jenem 6. Mai 1869, an dem das Bad beinahe ein Raub der Flammen geworden wäre, werden jedenfalls aber die Analen des Badeortes „Wiesenbad” bereichern und bei unserer Leserschaft besonderes Interesse finden.