Nach mindestens zweitägiger Umschau in Sachsens Bergbau-Metropole Freiberg, nebst ihren bergmännisch hoch interessanten und lehrreichen Umgebungen, worüber sich hier zu verbreiten überflüssig ist, da sie ohnehin weltberühmt sind — breche man eines schönen Morgens früh mit dem ersten Zuge durch das romantische Muldenthal über den Klimatischen Kurort Mulda auf gen Bienmühle (urkundliche Schreibart). Hier wohl restauriert, besichtige man die durch Italiener zur Gewinnung des Bahnhofraumes monatelang ausgeführten Felsenabsprengungen, nebst Flußregulierung. Kann oder will man dahin nicht vorher brieflich Geschirr aus Frauenstein bestellen, vom Posthalter oder vom Straußwirt, der mit Auswahl bequemer Landauer u. a. Wagen zu Diensten steht, so reise man zu Fuß, der jungen Freiberger Mulde entgegen, in ihrem belebtem Thale über Rechenberg (Burgrudera auf steilen Felsen) und durch die nahe Waldschlucht bis zum Teichhaus, richtiger Pfützenhaus, einer Holzfuhrmanns Kneipe, wo man statt Mittagsmahls mit Gebirgsbutterbrod und einfachem Rechenberger fürlieb nehmen muß, dafern man sich nicht in der genannten Bahnhofsrestauration mit lucullischerem Proviant versehen hat. Vom Teichhaus führt rechts der Mulde zwischen Baumriesen, die man gelegentlich auf ihre Brauchbarkeit zu Schiffsmasten ansehen kann, eine Holzfahrstraße hinauf zum fiscalischen Kalkwerk bei Hermsdorf. Geognosten wird der Anthracit interessieren, womit der Kalk gebrannt wird. Gefördert wird er nur zu diesem Zweck aus der Anthracitgrube im nahen Schönfeld. Ein Abstecher zu ihr und südöstlich weiter bis in das sächsische Hinterrieß am Anfangsthale der wilden Weißeritz, Sr. Maj. alljährlich Lieblings-Hirschjagdrevier, um das Königliche Jagdhaus zu Rehefeld, wenn die Herrschaften nicht da sind, auch inwendig zu besehen (wozu die katholische Kapelle Ihrer Maj. daneben jederzeit vom Kastellan geöffnet wird) erfordert Wagen. Von dort ist Altenberg mit seinem neuerdings aufgelebten Zinnbergbau und Zubehör in einer Stunde auf guter Straße zu Fuß zu erreichen. Eine nähere Besichtigung desselben dürfte (nach dortigem Nachtquartier im alten Amthaus oder Stadt Teplitz) den folgenden Vormittag beanspruchen. Nach oder ohne diesen Abstecher versäume man nur nicht, auf dem Wege vom Hermsdorfer Kalkwerk ins Nachtquartier Frauenstein das Silberbergwerk Friedrich-August-Stolln an der Teplitzer Chaussee zu besuchen. Es macht eine seltne Ausnahme von der Regel, daß dicht bei Porphyr kein abbauwürdiges Silbererz im Gneis zu finden sein soll. Solches findet sich dort vor einspringenden Nasen der in der Nähe zu Tage ausgehenden, an der Oberfläche verwitternden, vom Bergmann sogenannten grünen Porphyrs, ist auch etwas goldhaltig. Zum Anfahren muß man eine bergamtliche Erlaubnis von Freiberg mitbringen. Instruktive Erzstufen läßt der gefällige Obersteiger in der Pochstube zeigen. Eine alte und neue Erzwäsche steht unfern im Gimmlitzthale. — In Frauenstein, nach dem Stadtbrand von 1869 neu aus der Asche erstanden, mit schmucker Hauptkirche in akustisch praktischem einfachem Hausstyl (Normalturm vom sel. Oberlandbaumeister Hänel, Orgelwerk von Kreuzbach in Borna, Statuen aus Gips und Terracotta am und im Altar, Gemälde von Emil Sachse an den Wänden des Altarplatzes) genießt man das großartige Panorama von der Höhe des dicken Turmes der 4½hundertjährigen Burgruine, der höchsten Norddeutschlands (vgl. Glückauf 1881, Nr. 3) am besten bei Vormittagsbeleuchtung, wenn man Augustusburg deutlich erkennen will; Nachmittags fällt das Sonnenlicht besser auf die gleich weite Osthälfte des Aussichtskreises. Der rotkörnige Porphyr, auf und aus welchem die Burg erbaut und von dessen Aufsprüngen und Geröll der nördliche, durch Waldpromenaden zugängliche Bergabhang bedacht ist, läßt sich mit einem gewöhnlichen Geognosierhammer untersuchen. — Über die Hartmannsdorfer Schweiz (Lehnmühle, Königsfelsenstuhl über der wilden Weißeritz) und über die romantisch im Weißeritzthale gelegene Beerwalder Mühle, dann durch den Hökendorfer Felsengrund, steure man nach dem in Felsenwinkel eingeschachtelten Silberbergwerk Edle Krone, einer Haltestelle, von wo mit einem beliebigen Abendzuge rechts Tharandt und Dresden, links Freiberg binnen einer guten halben Stunde zu erreichen ist.
Ein Mitglied des Zweigvereins Dippoldiswalde-Frauenstein.
Quelle: Glückauf! Organ des Erzgebirgsvereins. 2. Jahrgang. No. 3 v. 15. März 1882, S. 26 – 27.