Mitteilungen aus den Zweigvereinen.

Johanngeorgenstadt, 31. Juli. Am 23. d. M. fand, vom herrlichsten Wetter begünstigt, die Einweihung des schon in der vorigen Nummer dieses Blattes genannten Aussichtsturmes auf der sogenannten Kaiser-Josephs-Höhe statt. Die Mitglieder des hiesigen Erzgebirgsvereins, sowie mehrere Herren der Brudervereine Wiesenthal, Spiegelwald und Schönheide versammelten sich gegen ½3 Uhr vor dem Hôtel de Saxe, von welchem aus nach 3 Uhr ein stattlicher Festzug unter Voranmarsch der hiesigen freiwilligen Feuerwehr und eines Musikchors nach dem Festplatze sich bewegte. Nachdem man auf demselben gegen 4 Uhr angekommen war, wurde von den Mitgliedern des hiesigen Zweigvereins ein der Feier des Tages entsprechendes Lied mit Musikbegleitung gesungen, worauf Herr Baumeister Puschmann mit geeigneten Worten den Schlüssel an den Vorsitzenden erwähnten Zweigvereins, Herrn Oberlehrer Hecker, überreichte. Letztgenannter Herr sprach sodann zunächst Ihrer Majestät der Königin den innigsten Dank aus, daß dieselbe es gestatten, den Turm nach Allerhöchstihrem Namen „Königin-Carola-Turm” nennen zu dürfen. Ein weiterer Dank galt dem Herrn Baumeister sowie dessen Arbeitsleuten für die überaus umsichtige Aufführung des Baues und allen denen, welche durch reichliche Unterstützungen den Bau förderten. Hierauf betrat der Vorsitzende im Gesamtvorstande, Herr Seminaroberlehrer Dr. Köhler aus Schneeberg, das Rednerpult und sprach in längerer trefflicher Rede folgendes:

Sehr geehrte Festteilnehmer! Gestatten Sie, daß ich Sie zunächst im Geiste auf wenige Augenblicke in jene Zeit zurückführe, da auf dem Fastenberge und seiner Umgebung und insbesondere auch auf dieser Kaiser-Josephs-Höhe nichts vorhanden war als dicker Wald, eine Wohnung der wilden Tiere, „wo die Bären brummten, die Hirsche brüllten, die Wölfe heulten und die Füchse bellten.” Aber da kamen vom Nachbarlande her fromme evangelische Exulanten, die fällten in der Wildniß die ersten Bäume zum Bau ihrer Hütten, indem sie, wie der erste Lehrer Johanngeorgenstadts schrieb, „auf die Sorge des Herrn bauten;” denn „man sah wohl, daß man nicht säen, nicht ernten könnte, doch alle vertrauten dem lieben Gott, daß er sie ernähren würde.”

Und Kurfürst Johann Georg I., glorreichen Andenkens, hielt seine schirmende Hand über sie, so daß hier oben auf dem Erzgebirge eine Stadt entstehen konnte, deren Bewohner auch auf redliche Weise ihr im Vertrauen auf Gottes Hilfe erbetenes Brod fanden. Der Segen des Bergbaues erwuchs im tiefen, finstern Schoße der Erde, deren Oberfläche ihre Gaben nur karg bemaß; und als die unterirdischen Schätze sparsamer wurden, da erblühten oben neue Zweige der Industrie. So haben die Bewohner von Stadt und Umgegend tapfer ausgehalten bis heute, so sind sie ihrer heimatlichen Scholle treu geblieben, ja in der nächsten Zukunft werden sie durch das Dampfroß noch inniger verknüpft werden mit den Bewohnern des niedern Landes, das ihnen diejenigen Gaben bringt, welche ihnen hier oben die Natur versagt hat. Aber mit nichten ist es hier so unwirtlich und rauh, wie man vielfach meinte und noch meint, wenn man von einem trostlosen Sibirien redet. Der Fleiß des Menschen hat unwirtliche Gegenden wirtlich gemacht, und so tritt die Schönheit der Natur uns im neuen Glanze entgegen. Ja, es ist auch ein Zeichen der Zeit, daß wir empfänglicher geworden sind für die ewig-jungen Reize, in welchen sich uns die Natur entgegenstellt, daß wir insbesondere das heimische Gebirge schätzen lernten und die Schönheit nicht bloß in der Ferne suchen. Die Erzgebirgsvereine können wohl mit Recht darauf Anspruch erheben, daß mit durch ihre Bemühungen, durch die freudige Opferwilligkeit ihrer Mitglieder, unser Erzgebirge die Beachtung von Tausenden gefunden hat, welche es nicht bloß durch seinen noch heute nicht erloschenen Bergbau, sondern hauptsächlich auch im Hinblick auf seine Schönheiten und weiter durch seine mannigfache Industrie und seine gewerblichen Anstalten mit vollem Rechte verdient. Schönheiten unseres Gebirges aufzuschließen, ist ja eine unserer Aufgaben, und solche Aufgaben hat auch der hiesige Erzgebirgsverein seit seiner Gründung vor Augen gehabt; er hat Wege gebahnt und für die fremden Wanderer bezeichnet, er hat endlich mit großen Opfern ein Werk zustandegebracht, das wir heute der öffentlichen Benutzung übergeben wollen.

Dank den treuen, opferbereiten Mitgliedern, Dank dem Vorstande des hiesigen Zweigvereins, der mit uns als starkes Glied in unserm Verbande steht, Dank allen Förderern des schönen Werks und insbesondere seinem Baumeister, welcher sich bereits durch die Erbauung des König-Albert-Turmes ein bleibendes und ehrendes Denkmal stiftete.

Mit der Liebe zum heimatlichen Boden zieht sich die Liebe zu unserem Königshause wie ein Faden durch unser Vereinsleben. Außer dem König-Albert-Turm auf dem Spiegelwalde erhebt sich auf dem Kuhberge der Prinz-Georg-Turm, beides Zeichen der Liebe, Verehrung und Dankbarkeit, welche wir unserm Könige und Herrn und seinem Königlichen Bruder, dem durchlauchtigsten Protektor des Erzgebirgsvereins, mit voller Seele zollen. Was liegt daher näher, als daß derjenige Verein, welcher seinen Sitz in Johanngeorgenstadt hat, der Stadt, die schon in ihrem Namen die dankbare Erinnerung an einen erlauchten Vorfahren unseres Königshauses in Treue bewahrt, seiner Ehrfurcht und Liebe gegen letzteres einen erneuerten Ausdruck geben möchte? Neben Sr. Königl. Majestät sitzt auf dem Sachsenthrone eine Landesmutter, deren edles Herz auch den Elenden und Armen entgegenschlägt, die tröstet und Hilfe spendet, wo Thränen des Schmerzes fließen und die bittere Not anklopft; und darum spricht auch das Volk mit Verehrung ihren Namen aus, und ihr Bildnis schmückt gar viele Wohnungen, auch die der Armut. Wir wollen dieser Verehrung nun dadurch einen, wenn auch schwachen Ausdruck geben, daß wir diese neueste Schöpfung des Erzgebirgsvereins mit demjenigen Namen zieren, welcher uns allen teuer ist.

„Königin-Carola-Turm” soll fortan dieser Bau heißen! Möge er sicher stehen in den Wetterstürmen und hinausschauen über ein immerdar glückliches Land; möge die frevelnde Hand zurückschrecken in Erinnerung an den allen treugesinnten und dankbaren Sachsenherzen teuren Namen; möge sich auf dieser Zinne an der Grenze unsers Vaterlands der Einheimische wie der Fremde der Herrlichkeiten erfreuen, welche Gottes Hand rundum aufgebaut, und möge dieser Bau auf viele Jahre hinaus ein Zeugnis sein von der Heimatliebe aller derer, welche ihn errichteten, damit das nachfolgende Geschlecht sich im Hinblick auf dies Zeugnis erwärme, auf daß es die Liebe zum Vaterlande nicht von sich werfe wie ein abgetragenes Kleid. Das walte Gott!

Zum Schluß aber ziemt es sich uns, den Gefühlen des Dankes für die dem Erzgebirgsverein stets bewiesene allerhöchste Huld dadurch einen Ausdruck zu geben, daß wir allesamt einstimmen in ein Hoch auf unser geliebtes Königshaus. Hoch! Hoch! Hoch!

Nach Beendigung dieser Weihrede wurde abermals ein entsprechendes Lied zum Vortrage gebracht.

Hieran schloß sich ein zahlreich besuchtes Conzert auf dem Festplatze, welcher erst nach eingetretener Dunkelheit verlassen wurde. Ein am Abend im hiesigen Ratskeller arrangierter solenner Ball bildete einen angemessenen Abschluß dieses herrlichen Festes. —

Für die Besteigung des Königin-Carola-Turmes wird von Nichtmitgliedern des Erzgebirgsvereins ein Entree von 20 Pf. pr. Person, für Mitglieder dagegen ein solches von 10 Pf. erhoben, und können die Eintrittskarten in den hiesigen Gasthäusern, in denen auch die Schlüssel zum Turme zu haben sind, entnommen werden. Mögen die anerkennenswerten Bemühungen des hiesigen Erzgebirgsvereins durch recht zahlreichen Besuch des Königin-Carola-Turmes Belohnung finden. —

Es sei übrigens an dieser Stelle auch noch erwähnt, daß der in circa 2 Stunden zu erreichende Auersberg von hier aus sehr bequem zu ersteigen ist und die Turmschlüssel beim Vorstande des hiesigen Erzgebirgsvereins, Herrn Oberlehrer Hecker, jederzeit zu haben sind.

T.

Zöblitz, den 30. Juli 1882. Am gestrigen Tage feierte der erst seit Kurzem im hiesigen Städtchen gegründete Erzgebirgsverein die Weihe der auf dem Zöblitzer Kamme auf hoher freier Bergeshöhe unter der Leitung des Herrn Architekten Köhler und nach dessen Idee errichteten einfachen und kleinen Aussichtspyramide. Obwohl der Himmel dieser Feier nicht gerade ein freundliches Gesicht zeigte, so hatten sich doch zur Begehung derselben aus der Nachbarstadt Marienberg mehrere Herren, so wie von der nahen Kniebreche die zur Sommerfrische anwesenden Herrschaften zur Teilnahme an dieser schlichten Feier in dem als Versammlungsort bestimmten Hotel zum weißen Hirsch eingefunden. Unter Vorantritt eines kleinen Musikchores setzte sich dann von hier aus der Zug in Bewegung und obwohl derselbe von einem so zu sagen zur Mode gewordenen Regenschauer überrascht wurde, kam man doch in der heitersten Stimmung am Bestimmungsorte an. Hier bestieg zunächst Herr Pastor Zabel aus Zöblitz die Pyramide und hielt an die Festversammlung eine dem Zwecke des Tages entsprechende Ansprache die neben einem Danke für die erschienenen Gäste mit einem dreimaligen Hoch auf den hohen Protektor der Erzgebirgsvereine, Se. Königl. Hoheit den Prinzen Georg, schloß.

Darauf betrat Herr Professor Holzhaus aus Marienberg die Pyramide, um in drei ausgeführten Versworten des Zweckes derselben zu gedenken; und endlich brachte von der errichteten Höhe aus der Vorstand des jungen Vereins, Herr Oberförster Beyreuther aus Zöblitz, seinen und den Dank des Vereins den werten erschienenen Gästen von Nah und Fern, dem technischen Leiter des errichteten Aussichtspunktes, den geehrten Damen für Spendung der aufgehißten Flagge und dem Herrn Rektor Göpfert aus Zöblitz für Komposition des von der Musikkapelle in den Zwischenpausen gespielten Festmarsches dar. Nun erfolgte von seiten der Anwesenden eine allgemeine Besteigung des Aussichtspunktes, der, wie man sich sofort überzeugte, eine Rundsicht und ein Panorama bietet, wie man dies von Aussichtspunkten anderer Orte wohl selten genießt. Nachdem man sich nun satt gesehen, erfolgte der Rückmarsch nach Zöblitz in „den Hirsch”, wo man sich vom Marsche durch ein Glas guten böhmischen Bieres und bei freien Redevorträgen vergnügte.

Wie sehr aber überrascht über die von der Aussichtspyramide gehabten Rundsicht die Teilnehmer bei derselben gewesen, zeigte ein in aller Eile von einem der Herren Gäste – Kniebrechsommerfrischler – niedergeschriebenes, mit Pathos vorgetragenes, begeistert aufgenommenes und zu diesem Zwecke gütigst überlassenes, hier folgendes Gedicht:

„Auf freier Bergeshöhe,
Hoch über Flur und Au‘,
Von Gottes Luft umwehet,
Da ragt ein schlichter Bau.

Das Sachsenbanner flattert
Von seiner Zinn‘ herab;
Und kommt des Wegs ein Wanderer,
So hält er an den Stab.

Er sieht die Flagge winken
Und steigt den Berg hinauf –
Da thut mit ihren Wundern
Die Gotteswelt sich auf.

Sein Auge schweift wie trunken
Fern über Thal und Höh’n
Ob all der Herrlichkeiten
Und kann nicht satt sich seh’n.

Da ruft er wohl begeistert
In all die Pracht hinein:
Glück auf! Glück auf! in Zöblitz
Du junger Gebirgsverein!

Und da ich selbst ein Wandrer,
So stimm‘ ich kräftig ein
Und rufe: Dem jungen Verein
Soll ein „Hoch” gesungen sein. –”

Und so sei denn der geweihte Aussichtspunkt den Bewohnern von Nah und Fern zur Benutzung, Erholung und Bewunderung der schönen Gottesnatur empfohlen!

Quelle: Glückauf! Organ des Erzgebirgsvereins. 2. Jahrgang. No. 8 v. 15. August 1882, S. 74 – 76.