Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 39 — Sonntag, den 25. September 1938. S. 1 – 3.
In unserem Erzgebirge spielte die Baumwollspinnerei von jeher eine große Rolle. Der Hauptsitz dieses Industriezweiges befand sich in Chemnitz. Deshalb interessiert uns auch der nachfolgende Bericht aus „Alt-Chemnitz“. Die Leinenindustrie, der älteste bekannte Industriezweig der Stadt, besteht bereits im 11. Jahrhundert. Schon 1048 wird ein Chemnitzer Bleichamt erwähnt. Daß die Garnbleichen bei der Stadt Chemnitz „in guter Verfassung“ und die Markgrafen Friedrich und Balthasar Teilhaber an denselben sind, bestätigt eine Urkunde von 1358. Im Jahre 1405 gab es nur eine, aber sehr bedeutende und umfangreiche Bleiche, welche aus drei Anteilen bestand, von denen ein jeder 150 Schock Groschen kostete. Der Landesherr erhielt von der Bleicherei, ganz wie vom Bergbau, den Zehnten; die Bleicherei selbst wurde vom Bleichgericht überwacht, das jedes gebleichte Stück mit dem Siegel der „Bleichgewerken in Chemnitz“ versah. Kurfürst Friedrich der Sanftmütige untersagte die Ausfuhr von rohen Garnen, um die Chemnitzer Bleicherei zu heben, und die späteren Landesherren bestätigten und erweiterten die Bleichprivilegien. Im Jahre 1817 gab es außer den vielen Bleichen, welche zu den Kattunfabriken gehörten, und den anderen, vorzüglich der Strumpfwarenfabrikation dienenden Bleichen auf den nächstliegenden Dörfern in Chemnitz sieben große Kommunalbleichen und vier große Privatbleichen. Jede Bleiche hatte ein großes Trockenhaus, oder auch einen Trockenturm aus Lattenwerk. Aber schon um 1800 fing man auf einigen Fabriken mit der Fixbleiche an (Schnellbleiche mit dephlogistisierter Salzsäure). „Schnell und wohlfeil“ sagt Schumann (Bd. 4, S. 526). „Es wird aber wenig Gebrauch gemacht.“ Das Chemnitzer Adreßbuch für 1886 nennt sieben Bleichereien. Die Gespinnste wurden natürlich durch Handspinnerei gewonnen und erst sehr spät hat die aus dem frühesten Altertum stammende Weberei sich anderer als mit der Handspindel oder mit dem Handspinnrad gewonnener Garne bedient. Einen bedeutenden Umschwung in der Textilindustrie hatte schon die Erfindung der Handspinnmaschine hervorgerufen. In England wurde 1761 für Erfindung einer Maschine oder eines Instrumentes, mittels dessen eine einzige Person sechs Fäden von Wolle, Flachs, Hanf oder Baumwolle gleichzeitig spinnen könnte, ein Preis ausgesetzt. Die einfache Handspinnmaschine, welche der Erfinder J. Hargreaves nach seiner Tochter Jenny nannte, wurde schon 1775 durch die von Arkwright erfundene und in Nottingham angelegte Spinnmühle, auf welcher Zylinder spannen, und durch die mit Wasserkraft getriebene (Mules), Klappenwerke (Tennys), welche einen lockern, zum Einschlag tauglichen Faden spannen, und Garnmühlen (Water frames). Arkwright erfand die Watermaschine, den Hacer an der Krempel, die Krempelmaschine; 1779 Crompton die Mulemaschine; 1797 Snodgras die Schlagmaschine. 1825 führte Dyes in Manchester die Röhrenmaschine (tube frame) ein und Roberts erhielt das erste Patent auf die „self acting mule“. In Sachsen waren zu dieser Zeit kleine Handmaschinen von 10 bis 20 Spulen zum spinnen der Baumwolle im Gebrauch. Der erste Gedanke zum Bau der verbesserten englischen Handspinn- und Handkrempelmaschinen wurde durch Erzählungen von den englischen Maschinen 1791 in Chemnitz angeregt, und kurze Zeit darauf fertigten Forkel und Irmisch Krempel- und Spinnmaschinen. Binnen zehn Jahren wurden in Chemnitz, Frankenberg, Oederan usw. über 4000 Handspinnmaschinen und über 300 große Krempelmaschinen aufgestellt. Da die Handspinnmaschine in der Regel 42 Spindeln zählte, so waren 168.000 Spindeln im Betriebe. Gebrüder Pflugbeil in Chemnitz lieferten vorwiegend stärkere Garnsorten. Noch 1807 waren über 50.000 Menschen im Erzgebirge und dem anstoßenden Vogtlande mit dem Spinnen von baumwollenen Garnen mit der Hand beschäftigt, und wenige Jahre darauf wurde das Handgespinst nur zu den geringeren Geweben verwendet. Im Jahre 1782 fand die Spinnmaschine überhaupt die erste Verwendung, 1787 die Krempelmaschine. 1790 waren von der von Frey in Mittweida konstruierten Handspinnmaschine etwa 50 im Gange und 1800 wurde die erste Spinnmaschine nach englischem Muster mit Betrieb durch Wasserkraft als Spinnerei für Watertwist (Baumwolle) mit Krempel-, Vorspinn- und Spinnmaschine angelegt. 1802 erbaute Watson die Baumwollspinnerei in Harthau für Mulegarn, und 1812 der bis dahin in Harthau angestellte Eli Evans die erste Baumwollspinnerei im oberen Erzgebirge, in Siebenhöfen bei Geyer. Die Spinnerei nahm einen wesentlichen Aufschwung, als man nunmehr die Watermaschinen in Mulemaschinen umbaute. 1821 wurden die Baumwollspinnereien Chemnitz, Flöha, Erfenschlag, Einsiedel, Dittersdorf erbaut; 1822 die erste Dampfmaschine zum Spinnereibetriebe aufgestellt. In der Flachsspinnerei wurde die Handspinnerei aufgegeben, weil sie nicht mehr entsprechend lohnte. Nur noch selten sieht man die Spindel oder das Spinnrad sich drehen. Die Maschinenspinnerei des Flachses beruht auf denselben Arbeitsvorgängen, wie die Maschinenspinnerei der Baumwolle; Bandbildung, Teilen und Strecken, Vorspinnen und Feinspinnen. Die erzgebirgischen Flachse, welche bei richtiger Behandlung von Acker, Saat und Flachs vor, während und nach der Ernte vorzügliche sein würden und die russischen Flachse recht gut verdrängen könnten, sind größtenteils geringe. Es ist notwendig, dem Anbau dieser wichtigen Gespinstpflanze die angemessene Sorgfalt zu widmen. Erst in der neuesten Zeit haben sich die Geschäfte der Flachsgarnspinnereien befriedigender gestaltet, obgleich die Flachsgarne immer gesucht waren. Bei der geringen Qualität der Flachse wurden naturgemäß mehr Werggarne (Towgarne) gewonnen, als Flachsgarne. Die Garnpreise sind zurückgegangen. Nur wenn der Flachs rationell gebaut und behandelt wird, kann die Flachsspinnerei mit Nutzen arbeiten. Mehrere erzgebirgische Flachsspinnereien haben den Spinnereibetrieb eingestellt und andere Fabrikationszweige angenommen. Von den im Jahre 1870 auf dem Erzgebirgsabhange befindlichen 14 mechanischen Flachsspinnereien mit fast 28.000 Spindeln waren seit 1878 nur noch acht mit ungefähr 18.000 Spindeln im Gange. 1880 stellten wieder einige den Betrieb ein, so daß gegenwärtig wohl nur noch die Spinnerei in Wiesenbad (mit 5000 Spindeln), Marienberg, Finsterau, Wolkenstein, Freiberg und Chemnitz noch im Betriebe sind.
Die Baumwollspinnerei hatte in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts einen außerordentlichen Aufschwung genommen. Wieck nennt nachstehende Baumwollspinnereien im Erzgebirge. Chemnitz (3), Alt-Chemnitz (4), Harthau (3), Burkhardtsdorf (5), Kappel, Kändler, Mühlau, Siegmar, Neukirchen, Pleißa, Wittgensdorf, Stollberg, Thalheim (3), Nieder-Zwönitz, Gornsdorf (3), Lugau, Zschopau (5), Porschendorf, Einsiedel (5), Weißbach (2), Dittersdorf, Altenhain, Erdmannsdorf (3), Hennersdorf, Cunersdorf (2), Witzschdorf, Krummhennersdorf, Plaue, Flöha, Gückelsberg, Falkenau (2), Hohenfichte, Braunsdorf, Dreiwerden, Draisdorf, Mittweida (2), Furth, Sachsenburg, Schlettau, Geyer (2), Venusberg, Hilmersbach, Hüttengrund, Marienberg (2), Herold (2), Wünschendorf, Rittersberg, Himmelmühle bei Wiesenbad, Sehma, Thum, Wiesa, Scharfenstein, Wilischau, Rothenthal, Lichtenstein (2), Hartmannsdorf, Lauter, Dreiwerden, Hermsdorf, Mülsen (6), Aue, Hermersdorf, Wegefarth. — Im Ganzen 103. Von diesen hatte die kleinste (Hartmannsdorf) nur 384 Spindeln, 12 weniger als 1000, 52 zwischen 1000 und 4000 Spindeln, 34 zwischen 4001 und 10.000 Spindeln, und 4 mehr: Becker in Chemnitz 10.248, Neubert in Harthau 11.200, Himmelmühle 13.400, Scharfenstein 16.000. Um 1860 faßte die Baumwollspinnerei vorzüglich in den Tälern der Chemnitz, Zschopau, Zwönitz, Wiltzsch, Flöha und Mulde, sowie in einzelnen Nebentälern noch Fuß; davon 20 mit 150.000 Spindeln an der Zschopau, 11 mit 50.000 Spindeln an der Wiltzsch; 27 an der Chemnitz, 19 an der Flöha, 9 an der westlichen Mulde. Die Mehrzahl derselben arbeitete mit Wasserkraft und hatte 3500 bis 4000 Spindeln. Größere Anlagen verwendeten Dampfkraft; die Aktienspinnereien zu Chemnitz mit 50.000 Spindeln. Die Gesamtzahl der in Bewegung gesetzten Spindeln kann man auf 650.000, die Arbeiter auf 12.000, die Größe der Arbeitsleistung auf 10 Millionen Kilogramm Garn, den Wert derselben auf 18 Mill. Mark veranschlagen. Im Jahre 1888 waren 35 Baumwollspinnereien mit ca. 500.000 Spindeln im Gange.
Die Baumwolle, d. i. die meist weiße, dichte lange Wolle, welche den Fruchtsamen der Baumwollenstaude einhüllt und nach dem Aufspringen der Fruchtschale mächtig sich ausdehnend hervorquillt, wird gereinigt und in Ballen versendet. Man unterscheidet nordamerikanische, darunter die lange Georgia als die wertvollste aller Baumwollensorten, brasilianische, die beste südamerikanische, ägyptische, ebenfalls eine sehr geschätzte Gattung, und die geringeren, mittelamerikanische, west- und ostindische, levantinische Baumwolle usw. Die Baumwolle wird zunächst aufgelockert und gereinigt. Die Wölfe (devils) und Zaußler (willows) zerrupfen die wolle, lockern den Faden auf, entfernen die größeren Unreinlichkeiten. Reinigungsmaschine. Die Schlagmaschinen (batteurs) blasen den Staub vollends heraus. Die erste Schlagmaschine (batteur eplucheur) gibt ihr Produkt an die zweite (batteur ataleur), welche die gereinigte Baumwolle durch Druckwalzen in eine dünne Watte vereinigt und auf Zylinder aufwickelt. Bei einer anderen Konstruktion der Schlagmaschine (double scutcher) werden beide Arbeiten von ein und derselben Maschine nach und nach ausgeführt. Die Wattenwickel werden nun auf Krempeln, Kard- und Kratzmaschinen durchgearbeitet, und durch Trichter gehend zu einem Bande zusammengezogen. Der Speiseregulator bewegt das Speisetuch mit veränderlicher Geschwindigkeit, und zwar im umgekehrten Verhältnis zur Dicke der zwischen den Speisewalzen befindlichen Baumwollenschicht. Diese Bänder werden durch Wiederholung dieses Prozesses zu immer dünneren Bändern gestreckt, während gleichzeitig drei dergleichen Bänder zu einem verbunden werden. Die Karde (carding engine) bringt die Fasern in parallele Lage, reinigt die Baumwolle von den ihn noch anhängenden Unreinigkeiten und bildet das Band, welches für feinere Garnnummern durch die Doubliermaschine (derby doubler) mit zweimaligem Karden noch besonders bearbeitet wird. Die Streckbank (drawing frame) gibt dem Bande nun die erforderliche größere Gleichmäßigkeit. Durch weiteres Drehen und Strecken vermittelst der mit verschiedener Geschwindigkeit sich bewegenden Walzenpaare wird der Faden allmählich hergestellt und sogenanntes Vorgarn gewonnen. Die Spindelbänke oder Differentialflyer (Jack frame) bewirken das Vorspinnen in den verschiedenen Stadien, welche durch Grob-, Mittel-, Fein- und Doppelfein-Flyer hervorgerufen werden. Der Flyer ist eine sehr komplizierte und wichtige Maschine auf dem Gebiete der Spinnerei. Das Vorgarn wird nunmehr auf den Mule- oder Water-Maschinen fein gesponnen. Die von Sharp und Roberts erfundenen Selfacting-Mules verbinden Strecken, Drehen und Aufwinden des Fadens durch Maschinenarbeit. Die Mule-Jenny oder Mule-Spinnmaschine besteht aus einem feststehenden Gestelle und einem vor- und zurückbewegten Wagen mit 200, 300, aber auch mit 500 und 600 Spindeln. Der Wagen fährt aus, der Docht wird gestreckt und gedreht; der Wagen fährt zurück, das Garn wird auf den zylindrischen Kötzer (cop) gewunden. Der selbstwirkende Spinnstuhl (Selfactor, Selfacting mule) wird durch Wasser- oder durch Dampfkraft in Bewegung gesetzt. Die Drosselmaschine (der „throstle“-Spinnstuhl) in der Konstruktion dem Flyer ähnlich, wird zum Feinspinnen von Garnen, aber nur bis Nr. 40 verwendet. Die vorwiegend angefertigten Drossel-(throstle-)garne sind Nr. 20 bis Nr. 30 (Water twist). Die Mehrzahl der Baumwollspinnereien liefert vorzugsweise Webegarne, und zwar um 1860 ungefähr 94. Von diesen arbeiteten 4 Webe- und Barchentgarn, 4 Docht- und Strickgarn, 3 Fransengarn, 11 Strumpfgarn, 19 Webe- und Strumpfgarne. Gegenwärtig spinnt man Strumpfgarne, einfache Webgarne, zweifache Zwirne und zweizylindrige Garne. Die verarbeitete Baumwolle ist zum Teil langfaserige amerikanische, zum Teil kurzfaserige gelbe, chinesische, seltener ostindische und indische. Die Länge und Beschaffenheit der Faser im engsten Zusammenhange mit der Leichtigkeit der Enthüllung bilden die Hauptanforderungen an die zu verspinnende Baumwolle; die Bedürfnisse des Absatzes an das erzielte Gespinst in Bezug auf Stärke, Dichtheit und äußere Beschaffenheit des Fadens. Die deutschen Spinnereien haben ohne Ausnahme englische Weise und englisches Nummerierungssystem. Die Durchschnittsnummer des Gespinstes der sächsischen Baumwollspinnereien wird auf 23 angegeben, d. h. 1 englisches Pfund Baumwolle it zu einem Faden versponnen, welcher 23mal 2520 engl. Fuß mißt, also 57.960 engl. Fuß = 17.665 Meter. Der nordamerikanische Krieg rief in der Baumwollindustrie eine so bedeutende Krise hervor, daß ein großer Teil der sächsischen Baumwollspinnereien zum Stillstand kam. Von den 720.000 Feinspindeln, welche 1862 im Gange waren, befanden sich 1876 nur noch 420.000 in Betrieb, welche Zahl sich seitdem sogar noch um etwas vermindert hat. Ein großer Teil der unter den ungünstigen Verhältnissen außer Betrieb gekommenen Spinnereien ist nach und nach zu anderen Zwecken umgebaut worden. Aber auch Chemnitz ist nicht mehr der Zentralpunt für Garne, wie die Stadt es früher war, und die mächtigen Spinnereien, welche an anderen Orten nach und nach entstanden sind, machen ihren Einfluß auf die hiesige Spinnerei-Industrie fühlbar. Während Deutschland etwa 4¾ Millionen Baumwollenspindeln besitzt, also sechsmal so viel, wie die erzgebirgische Baumwollenspinnerei, hat Großbritannien gegen 40 Millionen Spindeln, oder fast 10mal so viel als ganz Deutschland. Wenn nun (nach Beutner, Das Zollbündnis der Ostmächte) 18 Spindeln hinreichen, um den Bedarf von 100 Menschen zu decken, so braucht Deutschland nur noch etwa 3 Millionen Spindeln, um den eigenen Bedarf zu versorgen, während Großbritannien 34 Millionen Spindeln zu viel hat, mit deren Erzeugnissen es den Markt der anderen Nationen bedrückt. Die Lage der Baumwollspinnerei hat sich daher von Jahr zu Jahr verschlechtert, der Fortbetrieb der Spinnereien wurde nur mit schweren Opfern und zum Teil durch Beschränkung der Arbeitszeit ermöglicht. Die fortdauernde wirtschaftliche Krisis in Verbindung mit der wachsenden Verdienstlosigkeit und der dadurch verminderten Konsumtionsfähigkeit, die immer mächtiger werdende englische Konkurrenz, endlich der konstante Rückgang der Rohstoffpreise und die damit in Verbindung stehende Entwertung der vorhandenen Lager fertiger und halbfertiger Waren fanden erst seit 1880 ein Ende, so daß von da an wiederum normale Verhältnisse und ein befriedigender Geschäftsgang eintraten. Das Jahr 1884 gestaltete sich allerdings wieder sehr ungünstig. „In dieser schlechtesten Periode für die Baumwollspinnerei blieb englischen Offerten gegenüber auch deutschen Spinnern nichts übrig, als sich ins Unvermeidliche zu fügen und Aufträge zu sehr geringen Preisen anzunehmen.“ Die Lohnspinnerei für Zwischenhändler hatte aber schon frühzeitig durch mangelhafte Garne den Ruf der Chemnitzer Mule-Spinnerei für Webzwecke bedeutend geschädigt, und es kostete große Anstrengungen, diese Scharte wieder auszuwetzen.
Die Nähfadenfabrikation konnte nur mit Anstrengung das vaterländische Gebiet behaupten und erst in der letzten Zeit der englischen Konkurrenz mit Erfolg entgegentreten. Das Bleichen von Garn hat ganz bedeutend abgenommen, besonders seit die Mode der bunten Strümpfe aufgekommen ist. Nur in Hohenstein, Lichtenstein, Hüttengrund, Hermsdorf, Wüstenbrand, Reichenbrand bleicht man noch Garne zur Waffeldeckenweberei.
Die Wollspinnerei, welche die Verspinnung der Schafwolle bewirkt, und zwar entweder zu Streichgarn, oder zu Kammgarn, hat sich naturgemäß überall da niedergelassen, wo die Weiterverarbeitung des gewonnenen Produktes Fuß gefaßt hat. Diese ist in Bezug auf ihre geographische Lage nur zu einem Teile in dem Hauptterritorium der Spinn- und Webindustrie inbegriffen, zu einem ebenso großen sporadisch verstreut, da die Verarbeitung der Wollgespinste vorwiegend den Städten und nur ausnahmsweise den Dörfern und ihrer Bevölkerung anheim fällt. Man unterscheidet Streichwollen- und Kammwollengarne. Die Streichgarnspinnerei erzielt einen rauhen, kurzen und krausen Wollenfaden. Die Kammgarnspinnerei fertigt die harten, zum Teil glänzenden Wollenfaden für die Zeugweberei aus der langen und glatten Wollfaser; doch auch buntes Webergarn, Krempelwolle und gemischtes Baumwollengarn (Vigogne); ferner farbige Strickgarne, Posamentiergarne, Halbkammgarne usw. Durch Behandlung mit heißen Stahlkämmen wird der Wolle die Eigenschaft des Filzens genommen, und dem Faden eine glatte Beschaffenheit gegeben. Der Wollkämmaschine folgt die Vorspinn- und sodann die Feinspinnmaschine. Alle Maschinen sind nach Art der Watermaschinen gebaute Selfaktors.
Die Streichgarnspinnerei hatte ganz wie die Tuch- und Buckskinfabrikation unter dem Drucke der Zeitverhältnisse, Börsenkrisis und Überproduktion zu leiden. Die Chemnitzer Streichgarnspinnerei hat alle Stadien der Geschäftsungunst seit 1873 durchzumachen gehabt, bis sich auch hier in den letzten Jahren das Geschäft wesentlich besserte. Die Streichgarnspinnerei hat durch Einführung der neuesten und besten Maschinen einen bedeutenden Aufschwung genommen, so daß sie gegenwärtig im Stande ist, der belgischen Spinnerei mit Erfolg entgegenzutreten. In Bezug auf die Qualität ist das belgische Gespinst sogar von dem erzgebirgischen übertroffen. Man fertigt gezwirnte Garne für Phantasieartikel, Strumpf- und Stoffwaren, ebenso für Trikotwaren, doch auch andere einfache Gespinste.
Soweit nun die Geschichte der Spinnerei.