Erzgebirgische Heimatblätter. Beilage der Obererzgebirgischen Zeitung. Nr. 40. – Sonntag, den 29. September 1929. S. 1.
Die Wolfner-Mühle.
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Nun ist der Herbst bei uns eingezogen und stattete über Nacht unsere Erzgebirgsheimast mit ihren Schönheiten durch ein buntfarbiges Gewand noch schöner und prächtiger aus, als wir sie während der Sommermonate sehen durften. Da regt sich in erhöhtem Maße bei uns Gebirgsbewohnern die Wanderlust und Wandersehnsucht, Feld und Wald zu durchstreifen, in Berg und Tal das Auge zu weiden an den Schönheiten unserer Heimat. — Gilt es doch gewissermaßen in diesen Tagen Abschied zu nehmen von der Natur, in der in aller Schönheit jetzt ein großes Sterben einsetzt. Noch einmal rüstet man zu einer Fahrt durch die heimatlichen Wälder, zu einer Wanderung über die Kammgebiete und durch die stillen Täler unseres Erzgebirges. Eine der schönsten und lohnensten Herbstwanderungen führt durch das herrliche, bekannte Nitzschhammertal, dorthin, wo die Erholungsstätte der Wolfner-Mühle zur Rast freundlich einladet. Vorbei an Feldern, über deren Stoppeln seit Wochen der Herbstwind schon streicht, vorbei an brauner Ackerscholle, die jenen kräftigen Erdgeruch ausstrahlt, den man nur im Frühjahr und im Herbst, wenn die Erde offen ist, wahrnimmt, führt der Weg dahin. Links und rechts an der Straße leuchten grell die roten Trauben der Eberesche oder, wie wir Erzgebirger sagen, die Frucht des „Vugelbärbaams”. Dann empfängt uns der Herbstwald. Schweigsam ist alles um uns her. Das lustige Vogelgezwitscher des Sommers ist verstummt. Irgendwo bereits ruhen sie unsere gefiederten Sänger auf ihrer großen Fahrt gen Süden aus, um den rauhen Tagen des Winters zu entgehen. Hier im herbstlichen Schweigen des Waldes besinnen wir Menschen uns wieder auf uns selbst und kommen zu dem großen Erleben des Herbstes, der auch uns an das Ende mahnt. In Gedanken versunken, wandert man so durch das idyllisch gelegene obere Mittweidatal und steht plötzlich vor dem stattlichen Gebäude der Wolfner Mühle, wie es unser Bild zeigt. Inmitten des Waldes bietet das Gebäude einen prächtigen Anblick. Der Kreisverband Chemnitz der evangelischen weiblichen Jugend Sachsens ist heute Eigentümer dieser Gast- und Erholungsstätte, und hat sie für seine Mitglieder so schön ausgebaut. Hier soll eine Stätte der Ruhe und des Friedens sein, und sie ist es. Ringsum eingeschlossen von rauschenden Wäldern verträumt man hier in der Wolfner Mühle Ferien- und Wandertage und steht ganz unter dem Zauber eines reichgesegneten Fleckchens unserer schönen Heimaterde.
Die Wolfner Mühle war vor Jahren ursprünglich ein Fabrikunternehmen, das eigentlich als solches nicht in das reizvolle Landschaftsbild hineingehörte. In der wildbewegten Zeit der Inflation geriet der Betrieb in Konkurs. Man betrieb deshalb im Wirtschaftsgebäude eine Sommerfrische. 1924 bereits stellte die Wirtin infolge Krankheit auch diese ein. Der obenerwähnte Kreisverein interessierte sich für jene Liegenschaften und erwarb sie. Und nun setzte in der Waldeinsamkeit des Mittweidatales ein eifriges Schaffen und Wirken ein. Der Pulsschlag der Arbeit brach sich im vielstimmigen Echo in den Wäldern und nach Wochen rastloser Arbeit war aus dem Fabrikgebäude von einst eines der schönsten Erholungs- und Ferienheime entstanden, die das Erzgebirge aufzuweisen hat. Nicht nur den Verbandsmitgliedern der christlichen weiblichen Jugend steht das schmucke Heim offen, nein, auch allen Gebirgswanderern klingt ein fröhliches „Glückauf” und „Herzlich willkommen” entgegen.
Wer nun die Schönheiten der erzgebirgischen Heimat auch in den Herbsttagen einmal wahrnehmen will, der rüste sich zu einer Fahrt nach jener gastlichen Stätte im schönen Mittweidatale. — Unser Bild zeigt das Erholungs- und Ferienheim Wolfner Mühle und ladet zu fröhlicher Wanderfahrt ein.