Erzgebirgisches Sonntagsblatt 119. Jahrgang, Nr. 17, 25. April 1926, S. 5
Der erste Plan, Annaberg eine „öffentliche Krankenanstalt” zu geben, tauchte vor rund 100 Jahren (1827) auf. Man wollte damals in das Hospitalgebäude am Friedhof einige Zimmer einbauen und zweckentsprechend ausstatten. Es blieb bei der Absicht. Eine 1843 erfolgte Eingabe des amtierenden Bezirksarztes Dr. Friedrich Haugk an den Rat der Stadt, die Krankenanstalt nun doch im Hospitalgebäude einzurichten, wurde mit Rücksicht auf die Ruhe der Hospitaliten abgelehnt. Der Rat behielt die Angelegenheit jedoch im Auge und verfolgte die Verwirklichung der als notwendig erkannten Absicht auf anderem Wege. Da auch inzwischen die Einwohnerschaft sich mit der Idee vertraut gemacht hatte, stellten die Innungen und verschiedene Vereine Beiträge zur Ausführung des Projektes in Aussicht und eine Anzahl geachteter Bürger trat 1845 zu einem „Comité” zusammen. Dieses veranstaltete eine „Subscription”, zu welcher 936 Thaler, eine für damalige Zeit sehr ansehnliche Summe gezeichnet wurden. Als das Comité 1846 seine Tätigkeit einstellte, waren bereits 350 Thaler in bar vorhanden, welche dem Rate übergeben wurden. Nun ging es rasch vorwärts. Im „Annaberger Wochenblatt” erließ noch im gleichen Jahre der Rat einen Aufruf, „dem edlen, humanen Zwecke” weitere Geldbeträge zur Verfügung zu stellen. Es wurde auch eine „städtische Deputation” ernannt, die ein geeignetes Haus oder einen passenden Bauplan ausfindig machen sollte. Man suchte und fand. Das eingehende Gutachten der Deputation sprach sich für einen Neubau aus und empfahl als Platz den sogenannten Heynegarten hinter der Fleischergasse.
Rat und Stadtverordnete genehmigten den Vorschlag, sowie einen von Oberinspektor Krantz entworfenen Riß. Es wurde beschlossen, den Bau aus städtischen Mitteln unter Verwendung freiwilliger Beiträge sofort in Angriff zu nehmen. Mit der Bauausführung wurde der Maurermeister Johann Georg Schreiter beauftragt. Am 2. August 1847 erfolgte die Grundsteinlegung. Eine in den Grundstein gemauerte Platte aus Zinn lautet: „Mit Gott legte man am 2. August 1847 den Grundstein zu dem städtischen Krankenhause in Annaberg. Mitglieder des Stadtrats waren: Johann August Scheibner, Bürgermeister, Theodor Dietzsch, Gustav Eduard Mende, Gustav Moritz Wilde, Christian Fürchtegott Mühlenderlein, Gustav Julius Römer, Stadträte-Vorsteher der Stadtverordneten: Emil Christian Hänel.”
In den nächsten zwei Jahren wurde der Bau zu Ende geführt, nachdem die Hauptschwierigkeit der Geldbeschaffung glücklich überwunden worden war. Die Baukosten betrugen 11 730 Thaler, gegen 7000 Thaler des Voranschlages. Die Stadt nahm 7860 Thaler auf sich, 1179 Thaler brachten die Innungen auf, 1500 Thaler gab der Wohltätigkeitsverein, 500 Thaler die harmonische Gesellschaft der Fünfzehner und 700 Thaler einzelne Privatpersonen.
Am 26. Oktober 1849 wurde das mit allem notwendigen Inventar ausgerüstete Krankenhaus vom Rate übernommen und dem öffentlichen Verkehr übergeben.
Es enthielt im Souterrain eine Küche, zwei Badestuben, einen Kohlenraum, einen Eiskeller, eine Leichenkammer, eine Rollkammer und einen großen heizbaren Vorratsraum, der im Bedarfsfalle auch als Krankenzimmer benutzt werden konnte. Das Parterre umfaßte: ein Zimmer für die Ärzte mit der Hausapotheke, Wohnstube, Schlafkammer und Küche für den Krankenwärter, sowie drei Krankenzimmer. Sieben Krankenzimmer enthielt das 1. Stockwerk, dessen Korridor heizbar war.
Im ersten Jahre 1849/50 wurden 67 Kranke mit zusammen 1095 Krankheitstagen mit einem Kostenaufwand von 12 Neugroschen und 7 Pfennigen pro Tag verpflegt.
Nachdem 1851 nur 61 Kranke registriert wurden, stieg die Belegstärke in den nächsten Jahren um das Doppelte und Dreifache.
Das städtische Krankenhaus war von 1865 auch gleichzeitig in bescheidenem Umfange „Stadtbad”, nachdem auf Antrag der hiesigen Ärzte eine Badestube mit zwei Zinkwannen eingerichtet worden war. Eine Bademarke kostete im Sommer 3, im Winter 5 Neugroschen.
Vorübergehend haben Teile des Krankenhauses auch als Militärlazarett gedient, so in den Jahren 1849/50 und 1866/67.
Als erster Arzt am Annaberger Stadtkrankenhaus war Stadtwundarzt Daniel Friedrich Mühlich tätig, der Großvater des derzeitigen Leiters und Arztes für innere Krankheiten Dr. Mühlich, welcher einer alten Annaberger Familie entstammt, die 200 Jahre ihren Mitbürgern tüchtige Ärzte gab. Mit D. F. Mühlich praktizierten am Krankenhaus Polizei- und Armenarzt Dr. Johann Friedrich Otto, dem 1864 Dr. Carl Eduard Grunert folgte.
Als der erste Plan zum Krankenhausbau gefaßt wurde, zählte Annaberg ca. 6000, im Baujahre 1847 fast 9000, 20 Jahre später, im Jahre 1867, schon 11 272 und heute 18 394 Einwohner.
Im Laufe späterer Jahrzehnte hat das Krankenhaus zwar verschiedene Erweiterungsbauten erfahren: 1893 die jetzige Frauenabteilung und 1910 die Isolierbaracke, so daß heute in 17 Zimmern insgesamt 60 Kranke Aufnahme finden können. Aber das langt bei weitem nicht, so daß früher oder später auf eine Neuanlage zugekommen werden muß, welche allen Heilungssuchenden ihre Pforten öffnen kann. Möge dieser Zeitpunkt kein allzuferner sein.
— w. —