Advokaten-Nöte

Erzgebirgisches Sonntagsblatt 120. Jahrgang, Nr. 50, 12. Dezember 1926, S. 5

Heimatgeschichtliche Plauderei.

Der Kurfürst Friedrich August II. von Sachsen, Sohn Augusts des Starken, scheint kein besonderer Freund der Advokaten gewesen zu sein, denn schon kurz nach seinem Regierungsantritte erließ er an seine Amtsleute unterm 9. Oktober 1734 eine Verordnung, welche beginnt:

„Lieber, getreuer. Nachdem was aus der Vielheit derer Advocaten bisher vor Unheil, Mißbrauch der heilsamen Gesetze, mutwilliger Aufenthalt der Rechtshändel, unnöthige geldfressende Weiterung und andere Zerrüttung in hiesigen Landen erwachsen, am Tage lieget, so sind wir dieselben, jedoch exclusive der Hof-, Justiz-, Verwaltungs- etc. Beamten, auf eine gewisse Anzahl an jedem Orte zu restringiren (beschränken) gemeynen …“ und dann wird Anweisung erteilt, für jeden Ort die Anzahl der vorhandenen Advokaten, deren Befähigung, Führung usw. festzustellen.

Die Amtleute forderten nun von den ihnen untergebenen Stadträten und Gemeindevorständen die Anfertigung entsprechender Listen und erwarteten deren „ehebaldigen“ Eingang.

Sie warteten …!

Diesem „Eile mit Weile“ sah der Landesherr 2½ Jahre zu, bis er unterm 23. März 1737 seinen Amtsleuten schrieb, daß „auf seine Verordnung vom 9. Oktober 1734, die Feststellung eines Numerus von redlichen und habilen subjectis unter denen Advocaten betr., zwar mehrere Berichte bey der Canzley eingegangen seien, die meisten aber noch zurückständen; auch seien erstere nicht seinen Intentionen gemäß. Inzwischen hätten die Rabulisterei, Verführung der getreuen Unterthanen durch Ungeschicklichkeit, Bosheit und Eigennutz derer Advocaten überhand genommen, so daß er ernstlich anbefehle, die geforderten Berichte bey 50 Thaler Strafe binnen vier Wochen einzusenden“.

Das verhalf den Berichterstattern zu „fieberhafter Tätigkeit“. Alle ortsangesessenen Juristen mit freier Praxis wurden zur Präsentation ihrer Immatrikulationsscheine aufgefordert; ehrgekränkt tat dies mancher von ihnen unter „feyerlicher Protestation gegen den gewählten Modus“. Die erlangten Resultate wurden nebst schmeichelhaften Führungsattesten in die der Verordnung beigefügten Schemata eingetragen, klärlich bewiesen, daß die Verordnung auf keinen der Genannten Anwendung finden könne und der kurfürstlichen Kanzlei submissest zugesandt.

Und damit hatte es sein Bewenden, denn auch fernerhin genoß die Stadt Annaberg von damals etwa 3500 Einwohnern (aus deren alten Akten diese Reminiszenz stammt) das Glück, einen Numerus von 15 „redlichen und habilen subjectis“ als angemessenen Bestand an Jurispraktikanten — selbstverständlich ausschließlich der Inhaber von richterlichen und Verwaltungsbeamten — zu besitzen.

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