Erzgebirgische Heimatblätter. Nr. 32 — Sonntag, den 5. August 1928, S. 1
Was gibt es Schöneres, als in Sommertagen eine Wanderung zu unternehmen durch die Täler und Berge des Erzgebirges hin zur Grenze des Reiches, dort, wo der Fichtelberg sein grünes Haupt erhebt als Wahrzeichen unserer Gebirgsheimat! Es ist eine leidige Unsitte der Deutschen, so viel in freier Zeit ins Ausland zu reisen, dort für teures Geld wochenlang zu leben und damit der deutschen Wirtschaft die ihr so nötigen Mittel noch zu schmälern. Blickt hin auf die Schönheiten unserer Gebirgsheimat, öffnet ihnen Herzen und Sinne und Ihr werdet sehen und finden, daß es sich wahrhaftig lohnt, hier oben Erholung für Geist und Körper zu suchen in der wunderschönen Gotteswelt, die uns auf Schritt und Tritt umgibt. Gerade auch das Oberwiesenthaler Gebiet mit dem Fichtelberg ist ein Paradies mittelgebirgischer Art für sich. Wohin das Auge schaut, sieht es immer wieder neue reizvolle Bilder. —
Unten am Fuße des Berges Oberwiesenthal, das seine Entstehung dem Bergbau verdankt und jetzt noch zahlreiche Halden in der Umgebung zeigt. Eine Jahrhunderte alte Geschichte hat dieser prächtig gelegene Ort aufzuweisen. Was würden die Bergleute von Einst sagen, wenn sie heute hier Umschau hielten, die großen, modernen Unterkunftsstätten erblickten, den gewaltigen Verkehr der Autos und die Tausende von Fremden, die mit der Bahn aus der Ebene heraufkommen. Aus der einstigen Bergstadt wurde eine Industrie- und Fremdenstadt. Von hier aus gelangt man binnen wenigen Minuten hinauf zum Plateau des Fichtelberges, wo ein geradezu ideales Unterkunftshaus die Gäste aus nah und fern aufnimmt. Behagliche Räume laden den Wanderer ein, kunstvoll geschmückte Ecken und Nischen fesseln rings das Auge und modern eingerichtete Fremdenzimmer nehmen die Müden zur Erholung auf. Nichts fehlt hier zum Wohlbehagen, und reich und arm, hoch und niedrig fühlen sich hier heimisch. Vor noch nicht allzu vielen Jahrzehnten freilich sah es anders hier aus. Ein alter wackliger Turm stand da, dessen Betreten nur auf eigene Lebensgefahr hin erlaubt war. Da nahm sich der Erzgebirgsverein der Sache an und jedes Jahr wuchs der Zustrom der Gäste, so daß an das 1. Unterkunftshaus sehr bald angebaut werden mußte. Inzwischen wurde die Eisenbahn nach Oberwiesenthal geschaffen und der Motor besiegte bald auch die Entfernung. Heute ist der Fichtelberg mit seiner hervorragenden Unterkunftsstätte in ganz Deutschland und darüber hinaus bekannt und geschätzt. Sein Fremdenbuch weist nach, aus welchen Himmelsrichtungen her die Besucher des Berges jahrein, jahraus herbeikommen. Wie ozonreich ist hier oben die Luft, die man mit Recht geradezu als Medizin bezeichnet. Ja, der Aufenthalt auf dem Berge hier ist in der Tat eine Kur von wirksamstem Erfolge. Dann die Herrlichkeiten der Landschaft ringsum. Welch Panorama bietet sich dem Wanderer, unter anderem auch vom Turme des Unterkunftshauses. Weit bis ins Böhmerland hinein schweift droben der Blick und die Heimat ist es, die tief ringsum dem Auge sich einprägt. Wie schön sie ist, du gewahrst es so eindringlich, daß du wie in Andacht dastehst und schaust. Zu alledem dann die ausgezeichnete Verpflegung im Unterkunftshause, wo des Berges Wirt, Herr Soyka, schaltet und waltet. Lob aus aller Munde über das, was hier geboten wird, preiswert, reichlich und kräftig. —
Darum Deutscher: unterstütze die Gaststätten Deines Vaterlandes, laß Dein Geld in der Heimat. Du förderst dadurch die dessen so sehr bedürftige Volkswirtschaft und Du wirst gerade auch auf dem Fichtelberg gewahren, wie schie Dei Hamit is. —
Aber auch im Winter ist’s hier oben auf Bergeshöh‘ gut sein. Welch frisch-fröhlicher Sportbetrieb herrscht da! Ski und Rodel haben dann ihr Reich aufgeschlagen. Der Ski ist vor ungefähr 35 Jahren hier in Schwung gekommen. Der damalige Bergwirt Fleischmann auf dem Fichtelberge hatte sich durch Vermittlung des Forstmeisters Timäus aus dem Norden die langen Hölzer kommen lassen. Der Sohn Fleischmanns bediente sich dieser und wurde von den Jungens ob der merkwürdigen Dinger und des Riesenstockes, auf dem er bei der Abfahrt saß, als Wunder bestaunt und verehrt. Der Stellmacher Albin Schaarschuh in Oberwiesenthal hat diese Skier aus dem Norden denn als erster für einen Interessenten kopiert. Dann war es ein Norweger Ingenieur, namens Harry Ohlsen, der sich seine Bretter aus seiner Heimat kommen ließ und die Zuschauer begeisterte. Darauf nahmen die Skier nach und nach hier oben ihren Einzug.