Buchdruckerei und Zensur vor zwei Jahrhunderten.

Erzgebirgisches Sonntagsblatt 119. Jahrgang, Nr. 42, 17. Oktober 1926, S. 2

Aus der Vergangenheit Annabergs.

Am 23. Dezember des Jahres 1735 wurde in Annaberg der Buchdrucker Friese vor den hohen Senat seines Wohnortes zitiert und ihm in Gegenwart des Lokalzensors, des Superintendenten Hoffmann, eine früher eingegangene — leider nicht mehr vorhandene — Verordnung „behörig publiziret und selbiger zugleich bedeutet, daß man ihn nunmehr von Seiten der Inspektion allergnädigst anbefohlenermaßen behörig verpflichtete. Daher wurde ihm der vorherstehende Buchdrucker-Eid vorgelesen, wobei er sich eröffnete, daß er wegen Ablegung sothanen Juramentes (Eides) sich von dato an eine Sächsische Frist Bedenkzeit ausgebeten haben wollte, indem er vorher Hohen Orts allerunterthänigst anfragen wolle, ob ihm auch nicht erlaubt sei, Kleinigkeiten als: Komödianten-Zettel, Arznei-Zettel pp. ohne vorhergehende Zensur zu drucken. Er weigerte sich zwar nicht den Buchdrucker-Eid abzulegen, er wolle aber über obgedachte Punkte und wenn etwas nach Böhmen zu drucken ihm übergeben würde, ob solches, wenn es zur Zensur allhier eingereicht, ihm zu drucken erlaubt sein sollte oder nicht? anfragen und Erläuterung einholen.“

Es wurde ihm die gewünschte Frist bis zum 13. Februar 1736 gewährt mit dem Bedenken, „wenn er binnen solcher Zeit nicht allergnädigsten Befehl anschaffen werde, man sodann ohne Anstand behörigen Hohen Orts Bericht erstatten werde. Dann wurde ihm intimiert, daß er auch für die Zensurgebühren sorgen sollte, damit der Herr Superintendent jedenfalls keine Beschwerden habe; ingleichen solle er dem Herrn Superintendenten jederzeit wie bisher von denen Carminibus, Programmatibus und anderen kleinen bei ihm gedruckten Pieces zwei exemplare einhändigen, jedoch sollten große Opera und Bücher hiervon ausgenommen sein.“ Auch durfte nichts ohne Angabe des Autornamens ohne obrigkeitliche Genehmigung gedruckt werden.

Fünf Tage nach Fristablauf — am 18. Februar — erschien Friese wieder vor versammeltem Rate und legte folgenden Eid ab: „Ich, pp. schwöre, daß ich künftige Zeit ohne Vorwissen und Unterschrift des Decani der Fakultät zu Leipzig oder Wittenberg, darinnen die Materia so mir zu drucken untergeben werden möchten, gehörig oder dasjenige, welchem solches von ihnen aufgetragen worden, auch keine Predigten, sie mögen Namen haben, wie sie wollen, noch in Poesie ohne des Herrn Superintendenten zu Annaberg oder wem er es sonst auftragen wird, Subskription nicht drucken, noch meinem Gesinde oder andern solches von meinetwegen in keinerlei Weise oder Wege, wie dies durch Menschenlist erdacht werden könnte oder möchte, zu thun, weder heimlich noch öffentlich gestellen und solches weder Gift, Gabe, Neid oder Freundschaft, noch keinerlei Ursache willen anders halten und mich sonsten in meinen Drucken des Heil Röm. Reiches und Churfl. Sächs. Ordnung gemäß erzeigen will; treulich und sonder Gefährde, als wahr mir pp.“ —

Nach diesen drakonischen Regierungs- und Eidesvorschriften lag Friese mehr als fünf Jahre lang den Pflichten seines Buchdruckergewerbes ob; wir erfahren nichts von etwa inzwischen gegen ihn erhobenen Beschwerden, bis seine Ruhe durch folgendes unterm 8. September 1741 gegebene kurfürstliche Mandat gestört wurde. Es lautete:

„V. G. G. Friedrich August pp. … Würdiger, Hochgelahrter, lieben, andächtiger und getreue. Demnach wir denen bei Buchdruckereien, sowohl denen Reichs-Constitutionen als auch denen von Zeit zu Zeit ergangenen vielfältigen nachdrücklichen Generalverordnungen und Befehlen entgegen, immer mehr und mehr überhandnehmenden Mißbräuchen in Druckung und Divulgierung (Verbreitung) allerhand nichtswürdiger und ärgerlicher ohne Benennung des Autors und Druckers zum Vorschein kommenden Scartequen und Schriften, mit Nachdruck gesteuert wissen wollen: Als begehren Wir hiermit ihr wollet die bei Euch befindlichen Buchdrucker des fördersamsten in Person vor Euch erfordern, denselben nicht nur die bessere und genauere Beobachtung ihres diesfalls abgelegten Eides, unter Verwarnung unnachbleiblicher harter Strafe alles Ernstes nachmalen einschärfen, sondern auch dieselben hiernächst dahin nachdrücklich anweisen, daß sie auch von bereits gedruckten Sachen ohne euer Vorwissen und Vergünstigung nicht nachdrucken, sondern zuvörderst von jedem dergleichen nachzudruckenden Stücke, sowie von dem Nachdrucke selbst noch vor dessen Verkauf oder Abgabe an den Verleger jedesmal ein richtiges Exemplar auch vorzeigen sollen, welches ihr sodann fleißig zu durchsehen, und wenn sich vor oder nach dem Drucke etwas bedenkliches darinnen befinden sollte, vermittels eures unterthänigsten Berichtes bei Unserm Kirchenrate ohngesäumt anzumelden habet, damit sodann der Konfiskation halber solcher ärgerlicher und bedenklicher Schriften das nöthige schleunig möge können verfüget werden. Wie ihr denn, damit solches desto genauer möge befolget werden, die Buchdruckereien jährlich ein oder zweimal zu visitieren und die sich anbei geäußerten Gebrechen pflichtmäßig anzuzeigen wissen werdet. Daran geschieht Unser Meinung.“

Der Buchdrucker August Valentin Friese wurde also wiederum, und zwar am 9. Februar 1742, coram senatu zitiert und „erhält die Publikaton des eingelaufenen allergnädigsten Befehles unter der ernstlichen Bedeutung, solcher die allerunterthänigste Folge zu leisten und auch von bereits gedruckten Sachen ohne Vorwissen und Vergünstigung nichts nachzudrucken, vielmehr (usw. w. oben) …“

„Herr Friese hat sothane Publikation mit gebührendem Dank erkennet und solcher in allem nachzuleben versprochen, auch vor diesmal seine Demission erhalten.“ —

Wir sehen, die Buchdrucker hatten es seiner Zeit nicht leicht. Genau so erging es den ersten Zeitungen, die jahrhundertelang durch eine meistens ganz willkürlich geübte Zensur nicht zur Entfaltung kommen konnten und erst zur Blüte gelangten, nachdem ihnen die Pressefreiheit zugestanden worden war.

—m—