Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 27 – Sonntag, den 1. Juli 1928, S. 1 – 2.
Es war um das Jahr 1300, als man jene warme Mineralquelle entdeckte, die heute in Warmbad Wolkenstein jahraus, jahrein vielen Leidenden zur Heilquelle wird. Damals stand auch in jener Gegend der Bergbau in hoher Blüte. Von welchem Zeitpunkt an dann später diese Quelle benutzt wurde, um Heilzwecken zu dienen, darüber berichtet die Überlieferung nichts sicheres. Die Chronik erzählt jedoch davon, daß dort eine Kapelle sich befunden habe, in der diejenigen, die durch die Mineralquelle gesundeten, Gott dankten für ihre Heilung. Es wurde übrigens auch das Bad seinerzeit genannt: „Das Warme Bad zu unserer Lieben Frauen auf dem Sande”. Heute noch kann man am Brunnenhaus ein Altarbild sehen, von dem gesagt wird (und jedenfalls mit Recht), daß es aus jener alten Kapelle herstammt. Unter ihm befindet sich eine Widmung samt der Jahreszahl 1385. Die Widmung heißt:
„Dis Warmbad am Sand zu Unsrer lieben Frawen
Hat Gottes Wunderhand gelegt in diese Auen,
Wodurch dem Leibe nach heil werden kranke Herzen
Christi Verdienst und Blut heilt alle Leibes-Schmerzen.”
Von 1520 ab gelangte das Bad aus landesherrlichem in privaten Besitz, u. a. 1810 in denjenigen des Christoph Uhlig, dessen Familie fast 110 Jahre lang Eigentümerin des Bades war. 1919 erwarb es Fabrikbesitzer Rudolf Göbel und 1926 übernahm die Stadt Wolkenstein selbst den Besitz. Das Bad gehört zu Gehringswalde und ist an der Bahnstrecke Chemnitz—Weipert gelegen. Es befindet sich 458 Meter über der Ostsee. Man gelangt zu ihm, indem man auf der Station Floßplatz-Warmbad aussteigt. Von dort aus erreicht man das Bad in ¾ Stunde. Es ist in einem Nebentale des Zschopauflusses gelegen, idyllisch umrankt von Nadel- und Laubwald. Auf entzückenden Wiesen breitet sich die ganze Pracht des Erzgebirges mit dem Reiz wunderschöner Blumenflächen aus; auch viele Heilkräuter findet man hier. Eine ozonreiche, würzige, kräftige Gebirgsluft herrscht hier ringsum, sodaß Warmbad auch als Luft- und Höhenkurort hochgeschätzt ist. Außer der warmen Badequelle besitzt das Bad noch zwei Hochquellen – Wasserleitungen mit hervorragendem Trinkwasser. – Im ganzen Erzgebirge finden sich auf einem verhältnismäßig so kleinen Raume wohl kaum so viele Naturschönheiten, besonders wildromantische Partien, zusammengedrängt wie hier; fast jeder Schritt bietet dem Naturfreunde überraschende Abwechslung. – Im Bade selbst und dessen nächster Nähe laden freundliche, gut gehaltene Wege, verbunden mit zahlreichen Ruheplätzen zum Spaziergehen und Erholen ein. Ein überaus reges Leben entwickelt sich gelegentlich der mehrmals wöchentlich stattfindenden Konzerte, welche auch von Gästen aus der Umgebung fleißig besucht werden. — Die Quelle liegt 10,5 m unter der Erdoberfläche und befindet sich in einem Rundbau, in welchem man auf 30 Stufen an das Brunnenbecken hinunter gelangt. Der Wasserzufluß aus ungefähr 30 Quellen von verschieden starker Ergiebigkeit und verschiedener Wärme beträgt 150 Liter pro Minute. Die Quellen sind so ergiebig, daß mindestens ein Dritteil der Brunnensohle stets unter Wasser steht, sobald der Brunnen entleert ist. Die Gesteinsart der Brunnensohle ist Gneis und Quarz. Die neueste Analyse des Mineralwassers vom Warmbad wurde im Jahre 1889 von der Königl. Zentralstelle für öffentliche Gesundheitspflege zu Dresden ausgeführt und hatte folgendes Resultat:
„Das Wasser war farblos, klar und schied nur Spuren eines hauptsächlich aus Quarzkörnern bestehenden Bodenabsatzes ab.”
Ein Liter des Wassers enthielt 35,19 Raumpromille freie und halbgebundene Kohlensäure, 0,2752 g feste Stoffe gelöst und in letzteren sind 0,0315 g Chlor, 0,0548 g gebundene Kohlensäure, 0,0209 g Schwefelsäure, 0,0060 g Salpetersäure, 0,0279 g Kieselsäure, 0,0989 g Natron, 0,0064 g Kali, 0,0015 g Lithion, 0,0257 g Kalk, 0,0044 g Magnesia, 0,0045 g organische Substanzen nachweisbar.
Auf Grund dieser analytischen Resultate können in 1 Liter Wasser folgende Verbindungen gelöst angenommen werden: 0,1490 g doppelkohlensaures Natron, 0,0381 g Chlornatrium, 0,0102 g Chlorkalium, 0,0042 g Chlorlithium, 0,0448 g kieselsaures Natron, 0,0355 g schwefelsaurer Kalk, 0,0285 g doppeltkohlensaurer Kalk, 0,0070 g doppeltkohlensaure Magnesia, 0,0082 g salpetersaure Magnesia, 0,0045 g organische Substanzen.
„Hiernach besitzt das Wasser 3,19 deutsche Härtegrade, ist also ein weiches Wasser, und als solches unverändert transportfähig, sowie in erhöhtem Grade fähig, Kohlensäuregas zu absorbieren.”
Die durch Herrn Dr. W. Saake in Schöningen und Herrn Professor C. Schiffner in Freiberg ausgeführte Untersuchung des Wassers auf seine Radioaktivität ergab 3,2 Mache-Einheiten, sowie die Wahrscheinlichkeit, daß es Radiumsalze gelöst enthält und außerdem noch einen anderen, dem Radium ähnlichen Stoff (Thorium). Das Wasser ist chemisch indifferent, doch physikalisch wirksam und bleibt jahraus jahrein gleich warm.
Die Warmbader Mineralquelle ist die älteste Therme im Freistaat Sachsen und gehört zu jenen sogenannten Akratothermen, welchen von allen heilspendenden Wässern der Erde verhältnismäßig die meiste und sicherste Wirkung zukommt, und steht sowohl vermöge ihrer chemischen Zusammensetzung als auch wegen ihrer vorzüglichen Heilwirkungen den Thermen von Wildbad, Gastein, Ragatz-Pfäfers, Johannisbad, Schlangenbad, sowie dem Steinbad von Teplitz-Schönau am nächsten. Warmbad wird deshalb auch „das sächsische Gastein” genannt. — Die Quelle ist ausgezeichnet durch eine eigentümliche Weichheit und Frische im Geschmack und enthält nur sehr geringe Mengen fester Bestandteile, die bei höherer Temperatur gelöst werden, dagegen eine nicht beträchtliche Menge freier Kohlensäure. Das Wasser selbst ist kristallhell, von alkalischer Reaktion und kann, ohne seine Zusammensetzung zu ändern oder an seiner Wirkung einzubüßen, versandt und jahrelang – die Flaschen am besten liegend – aufbewahrt werden.