Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 8 – Sonntag, den 20. Februar 1927, S. 2
Den rechten Wert hat der Wintersport erst bekommen, seitdem sich alle seine verschiedenen Arten bei uns mehr und mehr ausbreiten. Ihnen allen gemeinsam ist, daß sie in der reinsten Atmosphäre sich abspielen, die überhaupt existiert. Der Schnee hat erst die Luft von der größten Zahl der darin schwebenden Staubteilchen gereinigt, und dann verhindert er die Staubbildung vollkommen. Die Winterluft an sich aber wirkt in geradezu wunderbarer Weise erfrischen auf den Organismus. Wer vorher schlaff, abgespannt, müde war, der fühlt, daß gar bald ein Gefühl neuer Spannkraft seinen Körper durchzieht. Der Wintersport erzieht wie wenige den ganzen Menschen, er gibt uns Energie auch für alle die Schwierigkeiten, die der Alltag mit sich bringt. Und was das Schönste an ihm ist: er ist wie kaum ein zweiter dazu angetan, ein Sport für das Volk zu sein. Ebenso bietet der Wintersport für jedes Lebensalter fast noch etwas: die Kleinen, 3- und 4jährigen, sausen schon ganz munter auf ihren kleinen Handschlitten herum, und so mancher, dem man die Sechzig schon reichlich ansieht, fährt noch mit dem Rodelschlitten. Die Gefahren des Wintersports lassen sich durch Ruhe, Umsicht und Vermeidung von Wagehalsigkeit beseitigen. Gerade, weil man ja in diesem Moment darauf gefaßt ist, daß einem etwas unerwartetes begegnet, wird die Vermeidung von Unglücksfällen leichter sein und die Folgen weniger schwer.
Eine der Hauptgefahren allen Sports, die Überanstrengung, muß natürlich auch hier vermieden werden. Wer mit kleinen Touren beginnt, seine Kräfte allmählich trainiert, und unter genauer Beobachtung der vorgeschriebenen Regeln seine Leistungen steigert, der wird bald merken, wie eine Kräftigung seiner Körper- und Herzmuskulatur eintritt.
Die Erkältungsgefahr ist die geringste. Die fortwährende Bewegung, in der der Körper sich befindet, verhütet eine zu große Abkühlung, und vernünftiges Verhalten und zweckmäßige Kleidung vorausgesetzt, kommen Erkältungen bei Wintersportlern wenig vor, gewiß weniger als bei solchen, die keinen Wintersport treiben. Vergessen wir endlich nicht, daß die Vorbedingungen der Leistungsfähigkeit und auch der Genußfreudigkeit für Körperübungen Mäßigung in Tabak und Alkohol ist. Gerade dadurch, daß der Sport zur Mäßigung im Genusse zwingt, wirkt er nicht am wenigsten auf die Gesundheit.
Nun müssen wir noch der Bedeutung des Wintersports auch als Heilmittel gedenken. Krankheiten kommen ja nicht von ungefähr! Sie sind erst die Folgeerscheinungen gewisser Veränderungen im Körper, die fast immer durch eine solche Lebensweise hervorgerufen werden. Konsequenterweise tritt eine Heilung in vielen Fällen dadurch ein, daß wir den Körper unter natürliche gesunde Lebensbedingungen bringen. Und hierzu bietet gerade der Wintersport die beste Gelegenheit. Überall da, wo wir durch konsequente Bewegung, durch Übung eine Steigerung der körperlichen Funktionen herbeiführen wollen, tritt der Wintersport in erster Linie ins Recht. Und vor allem bei all den Kranken, die zu einer allzuängstlichen Selbstbeobachtung neigen, in Verstimmungs- und Angstzuständen, Zwangsvorstellungen, Grübeleien, bei vielen Neurasthenikern, wird die Ablenkung der Gehirntätigkeit auf das körperliche Gebiet oft geradezu wunderbare Wirkungen haben. In vielen Krankheitsfällen spielt ja eine Überempfindlichkeit wegen alle von innen oder außen her den Körper treffende Einflüsse eine große Rolle. Die stetige Beschäftigung mit diesen Vorgängen macht die Kranken immer empfindlicher. Hier heißt es, in den Ideenkreis neue Vorstellungen einzuführen. Und was wäre daher geeigneter, als der geist- und körperstärkende Wintersport draußen in der wunderbaren Natur. Darum hinaus aus der dumpfen Stubenatmosphäre, aus dem leeren Treiben der Geselligkeit in die Herrlichkeit unseres deutschen Winters.