Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 43 – Sonntag, den 6. November 1927, S. 2
Bergleute im Grubenkittel sind hier heutzutage nicht mehr zu sehen, im Paradeanzuge mit hohen Stiefeln, weißem Beinkleide, schwarzem Kittel und grüner, mit orangegelbem Stutze gezierter Kappe nur dann noch, wenn die Mitglieder der noch bestehenden Berggrabebrüderschaft einen Verstorbenen zur letzten Ruhestätte bringen.
Zur Bildung dieser Berggrabebrüderschaft soll das Begräbnis des im 16. Jahrhundert auf dem Sauberge verunglückten Oswald Barthel Veranlassung gegeben haben. Gegenwärtig besteht sie aus Brüdern und Schwestern. Die alljährliche Versammlung dieser Brüderschaft am Tage des Frühjahrsmarktes wird „lange Schicht“ genannt.
Der Bericht über die Verunglückung und Auffindung des Bergmannes Oswald Barthel, wie er sich in dem Bergbuche des ehemaligen Königlichen Bergamtes Ehrenfriedersdorf vorfindet, lautet folgendermaßen:
„Kund und wissend sey, daß hernachverzeichnete „Alten / mit Nahmen Balthasar Thomas Kandler / Andreas Reuter der Alter zu Ehrenfriedersdorff / und Simon Löser zu Dretbach / vor mir Valtin Fegen / Bergmeistern / und Thomas Langern / geschworenen im Berg-Amt ausgesagt / daß ihnen wohl wissend und in guter Gedächtniß sey (daß einer mit Nahmen Oßwald Barthel ein Bergmann / welcher allhier zu Ehrenfriedersdorff / unten im Flecken in einem kleinen Häußlein gewohnet / das dieser Zeit Hans Rößler innen ist / im Jahr 1508 am Tag Catharinge imb Sauberge verfallen) also daß ihm kein Mensch zur Rettung kommen können. Derselbe Oßwald Barthel ist heute Montags den 20. Septembris im 1568. Jahr ins Brünlers Fundgrube im Sauberge / da man dieselbe abgewältiget / ungefähr in der siebenten Lachter unter dem tieffen Saubergsstollen wiedergefunden worden. Ist also 60 Jahr / 9 Wochen / 3 Tage im Sauberge / unter Berg und Wasser gelegen. Darauff ist er den 26. September Christlicher Weise auf der Gewerken des Sauberger Stollens Unkosten zur Erden bestätiget worden mit einer schönen Leichen-Predigt / die der Achtbare / Ehrwürdige und Wohlgelahrte Herr M. Georg Raute / der Zeit unser Pfarrer allhier gethan / und im Anfang der Predigt den Umbständen auch diß zu Gemüthe geführt / daß groß zu verwundern / daß er einem eine Leich-Predigt thun solte / welcher 35 Jahre ehe / als er / der Pfarrer gebohren / gestorben wäre. – Es ist aber gemeldeter Oßwald Barthel sel. erstlich / da im Gewältigen geräumt worden / gantz gefunden / also / daß nichts an ihm gemangelt / sondern der Leib / Kopff / Arme und Beine beysammen gewesen / hat eine Berg-Haube / wie die Alten gepflogen / auf dem Haupt gehabt / und schwarz Haar halber Ellen lang / einen weißen Zippel-Peltz am Leibe / ein baar Grubenhosen / Schuh an Füßen / eine Unschlitt-Tasche / einen Gruben-Zscherper mit Bley begossen umgürtet. Es sind auch Schuh / Hosen und Peltz gantz gewesen. Und ob man wohl dem Ansehen nach vermeint / ihm gantz aus dem Sauberge zu bringen / da er aber angegriffen worden / ist er mitten entzwey gebrochen / und also in zwey Stücken heraus gebracht worden. Des zum Zeugnis / daß es also eigentlich und gewiß geschehen / ist es zur Beglaubigung alsobald ins Bergbuch einverleibet / und männiglich / der es begehret / zur Nachricht eingeschrieben worden / den 28. Septbr. im 68. Jahr.“
Amts- und Wochenblatt für Ehrenfriedersdorf, Jahrgang 1885.
Die oben angeführte Leichenpredigt des M. Georg Raute ist noch im Pfarrarchive aufbewahrt; nach dem Worte des 90. Psalm predigte Raute über das Thema: „Herr, du lässest die Menschen dahinfahren 1. wie einen Strom, 2. wie einen Schlaf, 3. wie ein Gras, 4. wie ein Geschwätz.“ Er erwähnt darin auch, daß in dieser Zeit in Ehrenfriedersdorf und der ganzen Gegend die Pest wütete.
Uebrigens verhalf ihm diese Predigt zu größerem Ansehen; er wurde 1572 Bergprediger in Annaberg und 1576 Superintendent in Chemnitz. Von da mußte er wegen cryptocalvinistischer Unruhen entweichen und wurde 1592 Pfarrer in Kohren. Dieser Pfarrer Raute und ein Diakonus Günther waren die ersten Geistlichen, welche die in Annaberg 1570 errichtete Prediger-Witwenkasse unterschrieben.
(Nach der Kleinen Kirchen- und Schulchronik der Ephorien Annaberg und Grünstädtel von Joh. Gottlieb Zienert, Pfarrer in Schlettau.)
Daß der Bergbau wie anderwärts, so auch hier, noch oft Opfer an Gesundheit und Menschenleben gefordert haben mag, ist jedermann, der die Gefahren dieses Berufes nur ein wenig kennt, einleuchtend; in einem aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wahrscheinlich von dem damals in Ehrenfriedersdorf amtierenden Pfarrer Richter verfaßten Berichte an das Oberkonsistorium in Dresden über Ehrenfriedersdorf heißt es über Unglücksfälle:
„Dergleichen hat es wegen des lieben Bergbaues, jederzeit, leider! viele gegeben, maßen immer zu einige verunglücken und ums Leben kommen, in dem sie in den Schacht von den Fahrten sich zu Tode fallen, von denen hineinfallenden Wänden oder Stücken zerquetschet, auch durch Eingehen des Schachtes verschüttet, oder zum wenigstens ihre Gesundheit oder gesunde Gliedmaßen einbüßen, daß sie vor der Zeit crepieren und sterben müssen.“