Handlöscheimer und Motorspritze (3).

Erzgebirgisches Sonntagsblatt 120. Jahrgang, Nr. 50, 12. Dezember 1926, S. 1

(Schluß.)

Nach einer vorhandenen Zeichnung ging ein einziger Strang vom Teich durch die Große Kirchgasse bis zur Mitte des Marktes, woselbst neben dem Brunnen ein Wasserkasten sich befand. Von da ab teilte sich der Strang in zwei Stränge, wovon der eine durch die Frohnauer Gasse, der andere bis zum Ende der Klostergasse führte. Wenn nun ein Brand in einer von diesem Strang fern gelegenen Straße ausgebrochen war, so mußte das Wasser erst mittels großer Wasserkübel bis zum Brandorte geschafft werden.

Stadtverordneter Hempel glaubte durch Vermehrung der Leute bei des Wasserreihen und durch Bildung von Reservekompanien einigermaßen dazu beizutragen, eine schnellere und aushaltendere Versorgung der Spritzen mit Wasser herbeizuführen. Man sah jedoch von diesem Vorschlag ab, beschloß aber, die Innungsmeister zu ersuchen, ihre Innungs- und Gewerbsgehilfen aufzufordern, bei einem Brande die Feuerwehr zu unterstützen.

Man war also immer noch auf die Unterstützung des Publikums zur Bedienung der Spritzen angewiesen und es mögen auch wohl alle diese Einrichtungen und guten Ratschläge seitens mehrerer Interessenten nicht dazu beigetragen haben, gründlich Abhilfe zu schaffen. Gleichwohl war unsere Wehr ein Institut, welches auch außerhalb Annabergs ein großes Ansehen genoß, wie auch daraus erhellt, daß gelegentlich einer Hauptprobe der damalige Amtshauptmann Freiherr v. Biedermann und der Vorstand der Landesfeuerversicherungsanstalt Kanzleidirektor Schmidt aus Dresden sich dahin geäußert haben, die hiesige Feuerwehr in ihrer Disziplin, ihrer Organisation, ihrem Exerzitium den entschiedensten Anspruch auf ehrende Anerkennung habe und als ein Muster zu betrachten sei. Zur Erreichung ihrer Zwecke fehlte jedoch ein größeres Spritzendruckwerk, da alle jetzt vorhandenen zu schwach waren.

Aus diesen Gründen beschäftigte man sich mit dem Gedanken, nochmals eine Reorganisation der gesamten Wehr vorzunehmen und namentlich auch die Stellung des Kommandanten als eine selbstständigere zu gestalten. Vor allem hatte sich nämlich die Einrichtung des Branddirektoriums als unpraktisch erwiesen.“

Durch eine neue Verordnung vom 23. November 1863 wurde zur oberen Leitung der ganzen Feuerwehr ein Kommandant bestellt und diesem zwei Stellvertreter beigeordnet. Die aus durchschnittlich 700 Mann bestehende Wehr war in 8 Abteilungen gegliedert, in die Rettungskompanie, die Lösch- und Demolierkompanie, die erste Spritzenkompanie mit 4 Spritzen, die zweite Spritzenkompanie mit 5 Spritzen, die Steigerkompanie, die Mannschaft für die Wasserleitungen, die Signalisten und die Proviant-Deputation. Jede Kompanie stand unter einem „Anfuhrer“ — Kompaniekommandanten — mit einem Stellvertreter und zerfiel in einzelne Sektionen oder Rotten (zu 16 bis 20 Mann) mit je einem Rottmeister oder Sektionsführer. Bei den Spritzenkompanien gab es noch für jede Spritze einen Spritzenmeister und zwei Rohrführer, die gleichzeitig Stellvertreter der Spritzenmeister waren.

In der Broschüre Boy heißt es weiter:

„Bereits am 1. Dezember desselben Jahres wurden die Neuwahlen im Rathause selbst vorgenommen. Nachdem sämtliche Kompanieführer und deren Stellvertreter gewählt waren, schlug der Stadtrat aus deren Mitte 6 Herren für die Stellen des Kommandanten und dessen Stellvertreter dem Offizierkorps vor und es wurden, nachdem zwei Wahlgänge mangels absoluter Stimmenmehrheit erfolglos geblieben waren, am 11. Januar 1864 der Turnlehrer Vogelsang als Kommandant, der Schlossermeister Groschupp und der Tuchhändler Selbmann als dessen Stellvertreter gewählt. Dieselben wurden am 14. Januar vom Bürgermeister Scheibner verpflichtet und mit den neu abgefaßten Instruktionen versehen. Von dieser Zeit an vereinigte man gleichzeitig mit der Person des Kommandanten mit Genehmigung der Königl. Brandversicherungs-Kommission die Funktion des Feuer-Polizeikommissars und es trat somit vom obigen Termine an das gesamte Direktorium der Feuerwehr außer Wirksamkeit.

Zu erwähnen ist noch, daß bei dieser Reorganisation die Wachmannschaft nicht berührt worden war, weil diese Funktion nach wie vor von der Kommunalgarde ausgeübt wurde.

Als diese jedoch sich auflöste, beschloß die Stadtvertretung, einen Ersatz zu schaffen, weshalb im Jahre 1869 die Bürgerschutzwehr ins Leben gerufen ward. Am 20. Januar 1869 erließ nämlich der Stadtrat eine Bekanntmachung im Amtsblatte, in welcher zum freiwilligen Eintritt in diese Wehr aufgefordert wurde. Man hatte beschlossen, vorerst 100 Mann einzustellen, und zwar mit einer Dienstzeit von zwei Jahren. Obgleich nun auch die obenerwähnte Reorganisation viel dazu beigetragen hatte, die noch vorhandenen Mängel zu beseitigen, auch im Laufe der Jahre viel getan worden war, die Wasserverhältnisse durch Aufstellung von Unter- und Ueberflurhydranten, durch Erweiterung des Netzes der Trinkwasserleitung zu verbessern, sowie die einzelnen Züge mit neuen Gerätschaften und Ausrüstungen zu versehen, hatte man doch noch keine Schritte unternommen, zeitgemäßere und leistungsfähigere Spritzen zu schaffen. Bereits im Jahre 1862 hatte der damalige Kommandant Hempel die Beseitigung des alten Spritzenmaterials in Vorschlag gebracht und auch der Vorsitzende der Landesbrandkasse, Kanzleidirektor Schmidt, hatte sein Gutachten dahin abgegeben, daß die Feuerwehr zur Erfüllung ihres Zweckes bessere Spritzen bedürftig sei. Wegen der großen Ansprüche, die damit an die Ortsfeuerlöschkasse gestellt worden wären, wurde indessen zunächst noch immer davon Abstand genommen. Auf die Dauer konnte man sich jedoch der Erkenntnis, doch für Anschaffung neuer Spritzen Sorge zu tragen, nicht verschließen, und so wurde denn am 10. Februar in einer Sitzung einstimmig beschlossen, vorerst die Spritzen Nr. 1, 3 und 5 zu beseitigen und allmählich neue Werke anzuschaffen.

Bei dieser Gelegenheit soll nicht unerwähnt bleiben, daß Herr Kaufmann Carl Hohl bei seinem Besuch der Londoner Weltausstellung im Jahre 1862 einer damaligen Neuerung im Feuerlöschwesen in Gestalt einer Aufschlagleiter großes Interesse entgegenbrachte. Er erwarb dieselbe und machte sie der Stadt zum Geschenk.

Beachtenswert ist ferner noch die Erbauung eines Steigerhauses, welches unter dem Kommando des Herrn Otto Bräuer nach längeren Verhandlungen und unter Beseitigung vieler Differenzen im Stadtgutgarten errichtet wurde. Vor dieser Zeit war der Steigerzug darauf angewiesen, seine Uebungen nur an Wohnhäusern oder öffentlichen Gebäuden vornehmen zu können. Lag es nun an der Aert und Weise der Bauart oder an den in unserem Gebirge herrschenden rauhen Witterungsverhältnissen, auch das im Stadtgutgarten errichtete Steigerhaus konnte nur zirka 20 Jahre benutzt werden, da es in seinen Zeiten morsch und die Gefahr eines gelegentlichen Zusammensturzes bei einer Uebung nicht ausgeschlossen war. Man erbaute daher im Jahre 1898 ein neues, witterungssicheres Gebäude mit einem Kostenaufwand von zirka 3000 Mk.

Unter dem Kommando des Herrn Otto Bräuer hatte die Feuerwehr noch Gelegenheit, im Jahre 1878 das 25jährige Jubiläum ihres Bestehens zu feiern.

Nachdem Herr Otto Bräuer sich nach 5jähriger Tätigkeit veranlaßt gesehen hatte, sein mit großem Interesse geführtes Amt niederzulegen, wurde im Jahre 1880 Herr Herm. Wieland als Kommandant gewählt. Nach seinem Abgang (1885) wurde Herr Oberlehrer Krug auf den Posten des Kommandanten berufen. Seinen Bemühungen ist es namentlich zu danken, daß die Mannschaften der Wehr, welche 25 Jahre mit Eifer der guten Sache gedient haben, auch wie die Mitglieder freiwilliger Wehren mit dem von Sr. Majestät dem König Albert gestifteten Ehrenzeichen ausgezeichnet wurden. Nach vielen Verhandlungen erreichte er, daß im Jahre 1887 erstmalig die Herren Kircheisen, Kreher, Ziesche, Bätz und Hänsel mit diesem Ehrenzeichen bedacht wurden. Ebenso hatte Herr Oberlehrer Krug sein Augenmerk auch auf die Vervollständigung und Verbesserung der Gerätschaften gerichtet und sind während seines Kommandos eine neue 16 Meter hohe mechanische Leiter, sowie Gerätewagen und Sprungtuch der Feuerwehr übergeben worden.

Auch fällt in seine Tätigkeit die Errichtung des Absperr- und Wachzuges. Es hatten sich im Laufe der Jahre im Verhältnis der Bürgerwehr zur Feuerwehr Mißhelligkeiten ergeben, über deren Beseitigung längere Zeit hindurch Verhandlungen stattgefunden hatten. Sie führten endlich dazu, daß am 14. April 1889 in Bahl’s Restaurant der Absperr- und Wachzug aus der Feuerwehr selbst ins Leben gerufen wurde.“

1895 ging das Kommando in die Hände des der heutigen Generation noch wohlbekannten Chr. Kreher über.

„Einen schönen Markstein seiner Tätigkeit bildet die Errichtung eines Sanitätszuges. Während in früheren Jahren dieser Einrichtung keine oder wenig Aufmerksamkeit zugewendet worden ist, konnten die humanitären Bestrebungen der Neuzeit auch an der hiesigen Wehr nicht unbemerkt vorübergehen. Es fanden sich auch in unserer Wehr Männer, die mit Freuden dieser Einrichtung sich widmeten und den von dem praktischen Arzte Herrn Dr. med. Mühlich veranstalteten Kursus mit bestem Erfolge besuchten.“ (Boy.)

Wie sich die innere Organisation des Feuerschutzes im Laufe der Jahrhunderte von freiwilliger Hilfeleistung zur wohldisziplinierten Pflicht entwickelte, so vervollkommneten sich die technischen Hilfsmittel vom Handlöscheimer zur Motorspritze. In frühester Zeit, wo die Handlöscheimer noch im Gebrauch waren, ist die auf Kufen oder Rädern befestigte fahrbare Wassertonne, der „Zubringer“, der Vorläufer der Spritzen gewesen. Ein wesentlicher Fortschritt waren die alten Holzspritzen, die um 1800 aufkamen. Sie mußten jedoch worauf schon mehrfach hingewiesen wurde, von oben gefüllt werden. Später nahm man an Stelle des durchlässigen Holzes Metall zum Bau dieser Spritzen.

Die erste Annaberger Spritzen wurden nach dem Brande von 1731 beschafft. Es dürften keine Spritzen im heutigen Sinne gewesen sein, sondern vielmehr fahrbare Wassertonnen, wie sie unser Bild veranschaulicht. Unterlagen selbst sind hierüber leider nicht vorhanden.

1786 entschlossen sich Annabergs Bürger, wie Prof. Wolf in der eingangs erwähnten Festschrift schreibt, aus den Erträgnissen einer freiwilligen Sammlung zur besseren Notwehr in Feuersgefahr eine Spritze mit Zubringer und Schläuchen anzuschaffen. An Stelle der bis jetzt in Gebrauch gewesenen, ledernen Schläuche sollten solche aus Hanf treten, die sich, obwohl erst seit vier Jahren erfunden, bereits an vielen Orten bewährt hatten. Die Kosten für eine Spritze, zwei Zubringer, 1045 Ellen Schlauch aus Hanf, 25 Schrauben und Fracht aus Weimar — der dortige herzoglich weimarsche Hofmechanikus sollte das Ganze liefern — schätzte man auf 700 Taler. Dazu machten sich noch etliche hundert Taler nötig für ein feuerfestes Gerätehaus, in dem man die ganze Maschinerie unterbringen wollte. Da 300 Taler zur Anschaffung der gewünschten Feuerlöschgeräte zur Verfügung standen und die freiwillige Sammlung 203 Taler 18 Groschen ergab, so wird man wohl annehmen können, daß die Annaberger in den Besitz der überaus nötigen Spritze gekommen sein werden.

Die Errichtung der Annaberger Feuerwehr als Pflichtfeuerwehr sicherte dieser zahlenmäßig eine sehr große Anzahl von Mitgliedern, schuf aber auch gleichzeitig einen sehr großen Apparat, der sich bei kleineren Bränden als unpraktisch erwies. Und so erkannte man bereits im Jahre 1910, daß das Ausrücken der gesamten etwa 700 Mann starken Wehr in recht vielen Fällen ein Unding war. Nun suchte man eine kleinere Abteilung zu schaffen, die leicht alamiert werden und den ersten Feuerschutz übernehmen konnte. Der von dem Kommando ausgehende Wunsch fand Beachtung und Unterstützung des Rates der Stadt.

Das erste Augenmerk fiel naturgemäß auf die Landspritzenmannschaft, deren Alarm allerdings immer noch sehr umständlich war. Bei einem auswärtigen Feuer mußte diese Mannschaft durch den Feuerwehrboten „eingeladen“ werden, wodurch viel kostbare Zeit verloren ging. Zudem mußte die Landspritzenmannschaft eben auch für auswärtige Brände in Bereitschaft gehalten werden. Es galt also etwas Aehnliches für die Verwendung innerhalb des Stadtgebietes zu schaffen. Nach Ueberwindung mancher Widerstände im Kommando selbst gelang die Ausarbeitung eines praktischen Planes. Es kam 1912 der Alarmzug zu stande. Der damalige 1. stellv. Kommandant, Paul Oehm, hatte sich der Vorarbeiten und der Einrichtung mit viel Verständnis und Tatkraft angenommen, so daß die Bildung des Alarmzuges vorzugsweise ihm zu danken ist.

Eine elektrische — von der Polizeiwache aus zu betätigende — Klingelanlage, an welche 18 Mann, teils Mitglieder der Landspritze, teils Mitglieder verschiedener Züge, angeschlossen wurden, gewährleistete einen sicheren Alarm und das schnelle Stellen einer kleinen, aber wohldisziplinierten und daher sehr gut verwendbaren Mannschaft. Der erste Probealarm erfolgte am 10. Februar 1913.

Der Alarmzug hatte von der Gründung bis Kriegsende keine bestimmten Führer, weil die meisten Angehörigen dieses Zuges aus Führern der gesamten Wehr bestand. Aus diesem Grunde lag die Führung in Händen des Kommandos.

Die Kriegsjahre machten eine weitere Durchbildung des Alarmzuges unmöglich. Aber sofort nach Kriegsende ging man an den weiteren Ausbau heran. Die Zugehörigkeit der Alarmmannschaft zu verschiedenen Zügen wurde beseitigt, um eine spezielle auf den Sonderzweck der Verwendung zugeschnittene Ausbildung zu ermöglichen. Gleichzeitig erhielt der Alarmzug selbständige Führung.

Nach diesen umfassenden Vorbereitungen und auf Grund der gesammelten Erfahrungen konnte der jüngste Schritt in der Entwicklung der Annaberger Feuerwehr unternommen werden: die Anschaffung der Motorspritze.

Die Annaberger Motorspritze
mit dem 1. und 2. Kommandanten der Wehr und dem vorbildlich geschulten Alarmzug.
(Photo Fritz Hacker-Annaberg.)

Das Kommando der Annaberger Wehr war nach zweimaligem Personenwechsel in die Hände von Curt Apian-Bennewitz, der ihm schon seit 1916 als Adjudant angehörte, übergegangen. Er, sein Stellvertreter, Harnisch, die beiden Zugführer des Alarmzuges und 2v Kraftwagenführer unterzogen sich eines Ausbildungskurses bei der Chemnitzer Berufsfeuerwehr. Die dabei gewonnenen Erfahrungen fanden nun sinngemäße Anwendung auf Einrichtung und Ausbildung des mit der 1923 gekauften und im Juli 1924 in Dienst gestellten neuen Motorspritze versehenen 28 Mann starken Alarmzuges, welcher dem 1. stellvertr. Kommandanten Harnisch unterstellt wurde.

Die Annaberger Motorspritze verfügt über 800 Meter Schlauch und vermag 1200 Liter Wasser in einer Minute herauszuschleudern. Ihre Leistungsfähigkeit gestattete einen gleichzeitigen Abbau des Mannschaftsbestandes der Annaberger Pflichtfeuerwehr. So wurden zwei Spritzenzüge und der Rettungszug aufgelöst.

In ganz kurzer Zeit war der Alarmzug zu einer ganz besonders wirksamen Feuerhilfe ausgebaut, die blitzschnell zur Stelle ist und dadurch manchen Feuerschaden im Keime ersticken kann. Der Annaberger Alarmzug ersetzt uns die Berufsfeuerwehr und bewährt sich durch seinen Schneid und seine Dienstfreudigkeit als solche.

So erfreuen wir uns heute eines erstklassigen Feuerschutzes, wie er wenigen Städten gleicher Größe beschieden ist. Wir dürfen auch mit berechtigtem Stolz auf Führung und Mannschaft der gesamten Annaberger Pflichtfeuerwehr blicken, die sich im einzelnen und in ihrer Gesamtheit bewußt sind, daß der Schutz unserer lieben Heimatstadt in Feuersnot in ihren Händen liegt und die bereit sind, sich unter Hintanstellung des eigenen Ichs für ihre bedrängten Mitmenschen enzusetzen, getreu dem alten Sinnspruch der Feuerwehr:

„Gott zur Ehr‘,
Dem Nächsten zur Wehr.“