Kaaden an der Eger.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 31 – Sonntag, den 29. Juli 1928, S. 1 – 3.

Ein lohnendes, von der Grenzstation Weipert leicht erreichbares Ausflugsziel und eine schöne Sommerfrische mit einer herrlich gelegenen Waldschwimmschule.

Blick vom Heiligenberg auf Stadt und Sportplatz.

Dort, wo die frische, grüne Eger der Talenge und den Umarmungen der dunklen Waldberge des Liesen- und Erzgebirges sich entwindet und ins offenere Gelände, auf dem vor allem der Hopfen gedeiht, hinauseilt, da baut sich zu ihrer Linken am Fuße und an den Seiten eines felsigen Hanges, der aus den Wellen des Flusses und Wistritzbaches emporwächst, in malerischer Anordnung das deutsche Städtchen Kaaden auf und entfaltet auf der ebenen Hochfläche, 297 Meter über dem Meere, 23 Meter über dem Egerspiegel, das Netz seiner sauberen Straßen mit dem geräumigen und laubenumsäumten Marktplatz in der Mitte. Erst in den letzten Jahrzehnten hat es den äußeren Mauergürtel, den es sich als wohlbefestigte Stadt in alter Zeit umgelegt und lange geduldig getragen hatte, gesprengt und sich mit gartenumfangenen Villen und rasch zusammengewachsenen Häuserzeilen fröhlich ins grüne Umland hinaus verbreitet und dadurch sein Wesen als ruhiges, anmutiges Landstädtchen verstärkt. Die Sage und auch ernste Geschichtsforscher verlegen seinen Bestand in den Anfang des IX. Jahrhunderts zurück, wo es als feste slawische Siedlung am Rande des meilenbreiten Bannwaldes den Schlüssel wichtiger Handelswege durchs Egertal und ins Gebirge bildete und im Jahre 805 als Kanburg der Belagerung eines fränkischen Heeres getrotzt haben soll; ins helle Licht der Geschichte tritt es aber erst mit dem Jahre 1183 als herzogliche Schenkung an den Johanniterorden. Der klare Plan des auf der Hochfläche gelegenen Stadtkerns erweist heute noch besser als eine Handfeste auf Pergament diese Hochstadt als eine altem Kulturboden benachbarte Neugründung aus der Zeit des königlichen Städtegründers aus dem Premyslidenhause, welche für 1261 zum erstenmal urkundlich als freie königliche Stadt bezeugt ist. —

Rathaus mit Blick in die Heiligengasse und Stadtbild von Südost.

Von den Landesfürsten, zumal den Luxemburgern, beschützt und mit Gnadenbriefen ausgestattet, wuchs Kaaden bald zu einem bedeutenden Orte heran, das der Fürstentag von 1297 zu seinem Sitze wählte und in dem Kaiser Karl IV. wiederholt, einmal, im Frühjahre 1367, durch 5 Tage verweilte. Am Palmsonntage des Jahre 1421 suchten die Hussiten die gut deutsche, katholische Stadt mit Mord und Brand heim und in jenen Tagen sprach sie das schöne Wort: „Sollten wir von unserm angestammten Erbherrn treten, so taugten wir fürbaß nimmermehr in Ewigkeit zu Biederleuten.” Als Deutsche büßten die Kaadner auch ihre Gegnerschaft gegen Georg von Podiebrad 1467 mit Geld und Gut. 1534 schloß hier Ferdinand I. mit dem Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen, dem Herzog Johann Georg von Sachsen und dem Kurfürsten Albrecht von Mainz den Kaadner Frieden über Ulrichs Herzogtum Württemberg. Als Luthers Lehre ins Land drang, nahm sie auch die Mehrzahl der Kaadner eifrig an; aber im böhmischen Aufstande loderte zwischen den „Papisten und Lutherischen” die Flamme des Bürgerzwistes empor, es kam 1618 zur Vertreibung der Strengkatholischen, bis die Schlacht am Weißen Berge des Umschwung brachte und die dem evangelischen Glauben treugebliebenen Geschlechter ins Exil, zumeist nach Marienberg und Annaberg in Sachsen, ziehen mußten. Dann kam die Schwedennot des 30jährigen Krieges. Seit 1639 lagen Jahr für Jahr bald schwedische, bald kaiserliche Kriegsvölker in der Stadt; fast alle namhaften Schwedenführer: Königsmark und Baner, Torstensohn und Wrangel, Wachtmeister und Schlangen, der Landgraf von Hessen, Wittenberg und Douglas ritten durch die Kaadner Tore, brandschatzten oder ließen plündern und brennen. Von den unsäglichen Leiden dieser Zeit hat sich die einst reich begüterte Gemeinde nicht mehr ganz zu erholen vermocht; zur Hälfte war sie verwüstet und entvölkert, der Ackerbau auf Jahre untergraben, die blühende Rebenkultur auf den Hängen und Höhen ringsum für immer vernichtet. Auch im 18. Jahrhundert war die Stadt Zeugin blutiger Zusammenstöße feindlicher Truppen: 1742 zwischen Kroaten und Franzosen, 1758 zwischen Palatinalhusaren und Preußen unter Belling, und litt schwer unter der Nähe des Krieges. Noch zwei schwarze Unglückstage sind in der Stadtgeschichte verzeichnet: der 1. Oktober 1811, an welchem 500 Häuser, fast die ganze Stadt, in 5 Stunden ein Raub der Flammen wurden und Kaaden durch 14 Tage einem rauchenden Trümmerhaufen glich, und der 4. März 1919, der Faschingsdienstag dieses Jahres, in dessen 6. Abendstunde 25 friedliche Menschen, meist Frauen und Kinder, unter dem Feuer von Maschinengewehren tschechischer Soldaten im Tode schuldlos zusammenbrachen und fast ebensoviele schwer verletzt wurden, nur weil die Kaadner, wie Millionen anderer Deutscher in der Republik, an diesem Tage, um das Selbstbestimmungsrecht für das sudetendeutsche Volk zu fordern, auf die Gasse gegangen waren. Das Unheil dieser Stunde traf die Bevölkerung umso bitterer, als in so vielen Flammen die schmerzlichen Wunden noch bluteten, die der Krieg geschlagen hatte: beklagte doch das kleine Kaaden den Verlust von 216 Stadtkindern, von den Krüppeln und Kranken und den anderen Kriegsleiden ganz zu schweigen.

Die Schwimmschule.

Aus der Zeit, wo Kaaden nach allen Regeln mittelalterlicher Festungskunst mit Wall und Graben, Türmen, Toren und Basteien befestigt war, haben sich noch sehr ansehnliche Reste der alten Wehrbauten erhalten: 2 gotische Tore, 17 halbrunde, vier- oder vieleckige Basteien und lange Strecken der inneren und äußeren Stadtmauer, ferner im Zuge der inneren Mauerlinie die alte Stadtburg, auf puren Fels gestellt, das Haus ohne Grund, seit Maria Theresia Militärkaserne und mitten in der Stadt der hohe Auslugturm mit seiner Steinpyramide, der Turm ohne Dach, das Wahrzeichen Kaadens, als Baudenkmal einzig im Lande. Von diesen beiden Bauwerken und einem nunmehr trocken gelegten See der Umgebung sagt ein alter Wahrspruch:

„Einen Turm ohne Dach bis zur Stund‘
Ein Haus ohne Rost und Grund,
Ohne Damm und Wall ein Teich
Hat nur Kaaden im ganzen Reich.”

Töpfergasse mit Stadtkirche.

Auch sonst birgt Kaaden manches Sehenswerte in seinem Weichbilde: in seinen 6 Kirchen, den beiden Klöstern, besonders dem der Franziskaner, das diese Mönche auf den schönsten Fleck des Egertales außerhalb der Stadt hingestellt haben, in seinen Gassenzeilen mit bodenständiger Bauweise aus guter, alter Zeit, in seinen Statuen und Epitaphien, im städtischen Museum und den Schätzen des Archivs. Sein wertvollster Schatz von ewiger Jugend aber ist die reizende Landschaft, in die es gebettet ist: gesegnetes Ackergefilde neben Gärten, Rüben- und Hopfenpflanzungen in hoher Kultur, vom Silberspiegel der Eger beglänzt und von einem Kranze grüner Berge umhüllt, von deren Höhen sich dem entzückten Blick wechselvolle Rundbilder lieblicher und ernster Gegenden des schönen Böhmerlandes erschließen, besonders vom Heiligenberg, diesem durch Kunst weise verschönten Naturpark, Juwel und Stolz der Kaadner, der mit der Stadt durch eine schattige Villenstraße und den großen Stadtpark verbunden ist. Neben letzterem liegt der neue Sportplatz, der anerkannt schönste der Provinz, und unfern auch, in lauschigem Grün versteckt, die Egerschwimmschulen. Hier tummelt sich vor allem eine zahlreiche Schuljugend, denn Kaaden ist auch eine Schul- und Studentenstadt: ein Staatsrealgymnasium, eine höhere landwirtschaftliche Landesschule, eine landwirtschaftliche Fachschule, eine Haushaltungsschule, 2 Bürgerschulen, Lehrgänge für angehende landwirtschaftliche Lehrerinnen haben hier neben den Volksschulen in schönen Neubauten ihr Heim aufgeschlagen und der Frohsinn der Zöglinge dieser Anstalten bringt Leben und Farbe in den grauen Alltag des Städtchens.

Der Kaadener Ringplatz.

Bewohner zählt Kaaden außer der Garnison eines Infanterieregimentes gegen 9000, zu 95 vom Hundert gut deutsch nach Stammesart und Gesinnung. Sie widmen sich, soweit sie den schaffenden Ständen angehören, der Bewirtschaftung des fruchtbaren Bodens, mit hohen Erträgen gelohnt, oder den üblichen städtischen Gewerben oder sind in einer Reihe von Industrien tätig, wie der Gerberei, Müllerei, Kaolin- und Ziegelgewinnung, der Bierbrauerei, Teig-, Gummi- und Zementwarenerzeugung, der Eisengießerei, Holzbearbeitung u. a. m. Auch die ehedem so blühende Handschuhmacherei, deren Erzeugnisse in allen Weltteilen getragen wurden, ist wieder aus dem Schlafe erwacht, in welchen sie der Weltkrieg versenkt hatte. Sonst ist der allgemeine Verkehr freilich nicht in dem gleichen Maße gewachsen wie in den größeren Nachbarstädten, weil der Bahnverkehr allzulang das Weichbild der Stadt unberührt gelassen hatte. Doch geniest Kaaden von der Station Kaaden-Brunnersdorf aus, mit der es durch eine Lokalbahn verbunden ist, die Vorteile der Nachbarschaft Karlsbads, an dessen Verbindung mit allen Verkehrszentren es teilnimmt. Die genannte Lokalbahn verbindet Kaaden auf der anderen Seite auch mit Duppau und Pilsen. —

Das neue Wasserkraft-Elektrizitätswerk an der Eger.

Im Jahre 1908 erhielt Kaaden ein Elektrizitätswerk in dem schluchtartigen Egertale unterhalb der Stadt, wo das Gefälle der um eine felsige Landzunge gewundenen Egerschleife mittels Stollenleitung und 2 Zwillingsturbinen von je 400 Pferdestärken zur Gewinnung elektrischer Kraft ausgenützt wurde. Nunmehr ist es auch der Sitz eines neuen Kraftwerkes, des bisher größten Wasserwerkes der Republik, das im Anschlusse an das alte Werk auf 3 Turbinen 40.000.000 Kilowattstunden jährlich zu erzeugen fähig ist und als Überlandzentrale außer dem Kaadner noch 9 Nachbarbezirke durch ein Fernleitungsnetz von 450 Kilometer Länge versorgt. Es wurde 6 Kilometer unterhalb des alten Werkes, dessen Tunnelwasser es sich in einem überwölbten Wassergraben mit einem Nutzgefälle von 28 Metern zuleitet, in teuerster Zeit mit einem Kostenaufwande von über 200 Millionen tschechischer Kronen erbaut. —

Egertal mit Kloster.

So ist Kaaden mit manchem Vorzug begnadet und kein Wunder, daß seine Kinder mit Liebe an ihm hängen und besonders in der Fremde Sehnsucht nach der trauten Egerstadt und nach dem alten Stadtturme fühlen, in dessen Umkreis seit jeher mit Vorliebe auch Fremde: Geistliche und Offiziere, Beamte, Lehrer und Landwirte ihren Alterssitz aufgeschlagen haben, weil es hier, wie der Dichter Ohorn wiederholt verkündet hat, so heimlich und traut, so friedlich und heiter ist.

Gasthöfe mit Fremdenbeherbergung:

Stadthotel „Sonne”, Großgasthof „Gangl”, Hotel „Grüner Baum”, Weinert’s Gastwirtschaft „Orpheum”, Hotel „Löwen”. In den Sommermonaten stehen den Sommerfrischlern zahlreiche Privatunterkünfte mit und ohne Verpflegung zur Verfügung.

Autobuslinien:

Den Verkehr zwischen dem Bahnhofe Kaaden-Brunnersdorf der ehemaligen Buschtéhrader Eisenbahn und der Stadt Kaaden vermitteln die Autobusse des Großgasthofes „Gangl”, die 15 Minuten vor Ankunft eines jeden Zuges ab Marktplatz Kaaden fahren.

Zwischen Kaaden und Klösterle verkehrt täglich ab Klösterle um 7 Uhr 15 Minuten und ab Kaaden um 10 Uhr 30 Minuten ein Autobus. Dienstag, Donnerstag und Samstag verkehrt außerdem in der Richtung von Klösterle ein Autobus um 13 Uhr 30 Minuten und nach Klösterle ab Kaaden um 14 Uhr 40 Minuten.

Seit 1. Juni 1928 besteht ein regelmäßiger Autobusverkehr zwischen Weipert und Kaaden über Preßnitz, indem je ein Wagen von Weipert um 8 Uhr früh und 5 Uhr abends abfährt und in Kaaden um ½10 Uhr vormittags und ½7 Uhr abends anlangt, während in entgegengesetzter Richtung die Abfahrt in Kaaden um 11.20 Uhr mittags und 8 Uhr abends stattfindet und die Ankunft in Weipert um 1.20 Uhr nachmittags und 10 Uhr abends.