(Petri Heil in den Gewässern der Heimat.)
Von Lehrer H. Dietrich.
An Wasserläufen aller Art ist unsere engere Heimat gewiß nicht arm. Wer einmal mit empfänglichen Sinnen für die Schönheiten der Natur durch das Schleifenlabyrinth unserer Roten Pfütze gewandelt ist, wer von Bergeshöhe aus den Blick am Silberband der fleißigen Zschopau entlang streifen ließ, wer dem Gemurmel des ewig geschäftigen Waldbaches gelauscht hat, der mit Rauschen und Brausen zwischen düsteren Fichten übers Steingeröll seinen Weg nimmt, oder wer einmal bei Vollmondschein am stillen Moorwässerlein gestanden – der weiß auch, welchen großen Reiz diese vielen Wasser und Wässerlein unserer gebirgischen Heimat verleihen! – Den Jüngern Petri aber, die mit Netz und Angel hinauszogen, haben unsere munteren Gebirgsbäche und -flüsse schon seit alters her besondere Gelegenheit geboten, ihrem stillen, Geduld und abermals Geduld erheischenden Weidwerk nachzugehen! Denn was in unseren fließenden Gewässern, in der Quellregion der Flüsse, die Flossen regte und zum Teil noch regt, das gehört zum „Edelwild“ unter den Fischen. Keiner dieser schuppichten Gesellen paßt mit seinem lebhaften Temperament so gut zu der hastig sich überstürzenden Art unserer Gebirgswässer wie die muntere Forelle. Die charakteristischen Eigenschaften des Gebirgsbaches; kaltes klares Wasser, Sauerstoffreichtum, sandiger oder steiniger Grund und schnelles Fließen, sind für die Forelle Lebensbedingung und haben sie bei uns heimisch gemacht. Die schlanke, biegsame Form ihres Körpers, besonders aber die kleine „Fettflosse“ hinter der Rückenflosse verraten uns gleich die vornehme Herkunft der Forelle aus dem Geschlechte derer von Lachs! Wechselvoll wie die Natur und das Gefälle seiner Wohngewässer ist auch die Färbung unseres Fisches: Meist trägt sie das allbekannte, mit schwarzen oder roten, blauumränderten Punkten übersäte Kleid, zuweilen beobachtet man auch goldig oder silbern schillernde Forellen, oder sie haben vereinzelt eine dunkle, manchmal sogar schwarze Farbe, letztere dort, wo sie den dunklen Waldbach bewohnen oder in Höhlen hausen. Man soll derartige schwarze Exemplare bei uns vorwiegend in den Mundlöchern alter Bergstollen antreffen. Als „Lachsforellen“ bezeichnet man diejenigen unserer Tiere, deren Fleisch die gelblichrote Färbung des Lachsfleisches angenommen hat, irrtümlicherweise glaubt man sogar, daß diese Forellen in einen richtigen Lachs übergingen.
Trotz ihrer hastigen Lebensart entfernt sich die Forelle nicht gern von einem gewählten Schlupfwinkel unter Steinen oder in irgend einer Höhle und kehrt immer wieder zu ihm zurück. Sie ist wie alle Lachse ein Raubfisch, der sich von allerhand kleinem Wassergetier nährt. Ja, zuweilen bekommt die Forelle sogar kannibalistische Anwandlungen und verschont nicht einmal die eigene Brut! – Bei der Eiablage macht die Forelle eine bemerkenswerte Ausnahme gegenüber den meisten anderen Tieren insofern, als sie nämlich diese arterhaltende Tätigkeit in den kalten Monaten Oktober und November, zuweilen erst im Dezember, vornimmt. (Man nimmt daher wohl mit Recht an, daß die Forelle ein Relikt – Überbleibsel – aus der Eiszeit ist.) Es wird zu diesem Zwecke eine flache Grube im Kiesboden gewühlt, und in dieser werden die erbsengroßen, im Gegensatz zum meisten Fischlaich nicht aneinander klebenden Eier abgelegt. Die für einen Fisch recht geringe Eierzahl von nur 1000 bis 1500 Stück bei der Forelle findet ihre Erklärung in der winterlichen Laichzeit, während welcher ja die Schar der Eiräuber sehr zusammengeschmolzen ist. Nach etwa 2 bis 3 Monaten entschlüpfen den Eiern die jungen Forellen, jede mit einem mächtigen „Dottersack“ mit der ersten Wegzehrung für die Lebensreise behaftet. Der Inhalt dieses Dottersackes reicht nämlich gerade so lange, bis die Tierchen zu eigener Nahrungsaufnahme fähig sind. Wenn aber die Jungforellen so ungefähr 2 Jahre alt geworden sind, so sind sie gerade recht, um in die Küche zu wandern, und mit der nötigen Butter wird sie dann wohl auch der ärgste Kostverächter nicht stehen lassen.
Im Alter von 3 bis 4 Jahren werden die Forellen fortpflanzungsfähig. Dann krümmt sich bisweilen der Unterkiefer mancher Forellenmännchen zu einem Haken, der oft als Mißbildung oder Verkrüppelung gedeutet wird. – Leider haben sich die Forellenbestände unserer Heimat auch mehr und mehr gelichtet. Schon aus dem 17. Jahrhundert hören wir Klagen, daß der Bergbau die heimischen Wasserläufe derartig verschlämmt habe, daß die Forellen eingingen, da ihnen ja einmal harter Grund Lebensbedingung ist. Schon damals soll das ehedem sehr fischreiche Schwarzwasser durch die Erzseifen und Pochwerke völlig ausgestorben gewesen sein. Die Herren des Böhmerlandes sollen aber zu selben Zeit hauptsächlich ihrer fischreichen Gewässer wegen den Bergbau jenseits unserer Landesgrenze nicht haben aufkommen lassen! Die Fabrikabwässer und sonstige Kulturerrungenschaften unserer Zeit haben nicht minder dezimierend gewirkt!
Unter dem Motto, daß gemauste Forellen am besten schmecken, haben mir meine lieben Schulbuben schon mancherlei wohlfeile Rezepte verraten, wie diese leckeren Tiere am besten zu haschen seien – ich habe sie lieber nicht ausprobiert! Besonders musikalische Leute sollen sie jedenfalls mit Geigensaiten angeln! Es soll übrigens während des Krieges Forellen gegeben haben, die wackeren Landsern zu einigen Urlaubstagen verholfen haben … Doch darüber schweigt des Sängers Höflichkeit!
Ein recht unruhiger Geist ist der edelste und größte der ganzen Lachsverwandtschaft: der Lachs selbst, der auch schon in unseren Gewässern gefangen wurde, wenigstens in verflossenen Jahrhunderten im hiesigen Fischbestande eine ziemliche Rolle gespielt haben muß. Im Süßwasser hat er eigentlich überhaupt nichts zu suchen, denn seine Heimat ist die Nordsee, und er ist ein echter Meeresbewohner. Hat er jedoch mit 4 bis 5 Jahren die Geschlechtsreife erlangt, so treibt es ihn in die Ströme des Binnenlandes. Er wandert in Rhein und Elbe und deren Nebenflüssen aufwärts bis in die Schweiz und nach Böhmen. So gerät er, kein Hindernis scheuend, auch ins Quellgebiet der Zschopau und in unser Bäche. Hier in der Quellregion legt er seine Eier ebenfalls in den Wintermonaten ab, um dann zu sterben oder die Rückreise ins Meer anzutreten. Höchstens 2 Jahre hält es die Junglachse im Süßwasser. Dann wandern auch sie dem Meere zu, um nach Jahren noch einmal auf der Hochzeitsreise hierher ins Binnenland zurückzukehren. Die stromauf, quellwärts ziehenden Lachse sind es nun, denen der Fischer ihres wertvollen Fleisches wegen nach dem Leben trachtet. Mit der zunehmenden Belebung unserer Ströme durch die Dampfschiffahrt und die daraus folgende Verschmutzung des Wassers haben aber die Lachszüge mehr und mehr abgenommen, und gegenwärtig dürfte ein Lachs in unseren Gegenden zu den größten Seltenheiten gehören.
Ein recht wechselvoll buntes Schuppenkleid, dessen Farbenschönheit sich beim Männchen zur Paarungszeit noch steigert, trägt der Saibling. Auch er ist ein Lachsverwandter, der aus Amerika eingewandert ist, und der auch in unseren Bächen bisweilen an die Angel geht.
Weil in hiesiger Gegend auch ab und zu Aale gefangen worden sind, soll auch dieses mysteriösen Tieres kurz gedacht werden! Da ihm die Bauchflossen fehlen, was sein schlangenähnliches Aussehen noch erhöht, hat man in verflossener Zeit über ihn viel gefabelt, insbesondere hat man ihn sogar unsittlicher Beziehungen zu den Ottern, denen er so ähnelt, bezichtigt! Tatsache ist, daß man über sein Leben, besonders aber über seine Fortpflanzung lange sehr im Unklaren war. Erst neuerdings weiß man, daß er weit draußen auf dem tiefsten Grunde des Ozeans seine Eier ablegt, daß dann die „Aallarven“ als „Glasaale“, wegen ihres durchsichtigen Körpers sogenannt, die Flüsse aufsuchen und auch bis zu den Quellen derselben hinaufziehen. Im Süßwasser machen sie ihre ganze Entwicklung durch, die bis zu 9 Jahren dauern soll, um dann wieder ins Meer zu wandern, wo wiederum die Eiablage vollzogen wird.
Was außer den zuchtmäßig eingesetzten Karpfenfischen sonst noch an kleinem Zeug unsere Gewässer belebt, hat für die Fischerei keine Bedeutung. Ein recht origineller Wasserbewohner soll aber doch noch genannt werden, vor dem unsere bade- und watelustige Jugend allen Respekt zu haben scheint: Es ist der gefürchtete „Kaulratscher“, der Kaulkopf oder die Groppe, wie er mit seinem richtigen Namen heißt. Er „schneidet“, sagen die Jungens, wenn man sie auffordert, solch ein Tierchen zu fangen. Das wird seinen Grund darin haben, daß die Kiemendeckel des kleinen Kerlchens mit einem spitzen Dorn bewaffnet sind. Wo Forellen sind, da ist er auch mit seinem großen, dicken Kopf und dem schuppenlosen Körper! Es sei an ihm nur noch rühmend hervorgehoben, daß er zu den wenigen Fischen gehört, die sich ihrer Elternpflichten bewußt sind, denn das Männchen verteidigt seine Nachkommenschaft gegen alle Feinde mit wahrem Heldenmut!
Wie eifrig, aber auch wie erfolgreich man bei uns schon in verklungenen Zeiten des Petrus nasses Gewerbe gepflegt hat, das beweisen die diesbezüglichen, recht zahlreichen Stellen in den alten Chroniken und Urkunden. Auch der schon oft zitierte Christian Lehmann widmet so manche Seite seines umfänglichen „Historischen Schauplatzes“ dem Fischereiwesen seiner Zeit, d. h. des 17. Jahrhunderts.
Die Landesobrigkeit hatte schon damals besondere Fischer angestellt, die in Pockau, Crottendorf und Lauter wohnten, und denen die Hegung der hiesigen Gewässer und die Lieferung der Fische für die Tafel oblag. Der Crottendorfer Fischer fischte die Zschopau bis nach Tannenberg. Da in jener Zeit noch die Fischottern recht böse im heimischen Fischbestand aufgeräumt zu haben scheinen, wurde alljährlich ein Fischotternjäger im Frühling und Herbste mit Hund und Netz ausgeschickt, und für jeden Balg setzte es ein „gülden Trinkgeld!“ – Das Auftreten des Lachses im Erzgebirge scheint früher, wie bereits erwähnt, nichts Seltenes gewesen zu sein. So wurde 1633 bei Aue ein 28 Pfund schwerer Lachs erbeutet. Ein anderer, 1657 bei Schmiedeberg gefangener, wog 11 Pfund. Auch unweit Wiesenbad gingen um die gleiche Zeit Lachse ins Netz und wurden für 18 Pfennig pro Pfund verkauft. – Weitaus die allermeisten der alten Berichte befassen sich jedoch mit den Forellen oder „Foren“, wie man meist liest. Die Zeiten, da sich im Sommer die Köhler und Waldarbeiter beim Baden mit den die hiesigen Bäche so überreich belebenden Forellen werfen konnten, waren zufolge des Bergbaues auch zu Lehmanns Lebzeiten schon vorbei. Trotzdem berichtet er uns noch Erstaunliches! 1612 wurde bei einem Taufmahle in Crottendorf eine 12 Pfund schwere Forelle verspeist, deren Kopf spannenlang gewesen sein soll, und die der Dorfmüller dort im Bache gefangen hatte. 1610 fing der Pfarrer in Königswalde 3 Forellen zu 3 und 4 Pfund und „machte sich damit gute Freunde“! Von einem Mittweidaer Hammerherrn wird berichtet, er habe dem bei Crottendorf jagenden Kurfürsten einige acht- bis elfpfündige Forellen geschickt, wofür er dann eine „gnädige Remission am Waggelde“ von diesem erhalten habe! – Ein alter verfallener Bergstollen an der Scheibenberger Waldmühle scheint besonders forellenreich gewesen zu sein, denn ein Fischer erkaufte sich 1612 für 18 Groschen die Erlaubnis vom Bergamte, darin fischen zu dürfen. Es hat sich anscheinend gelohnt, der Mann erbeutete im Mundloche dieses Stollens 32 ellenlange Forellen! 1633 war das Wasser desselben Stollens ausgetreten, und der Pachtmüller erbeutete eine kindsgroße, fünf Viertel lange, ganz schwarze Forelle. Lassen wir es mit den angeführten Beispielen aus jenen gesegneten Zeiten genug sein! Fraglich bleibt immerhin, ob jene Kolosse von Forellen zu den allergrößten Leckerbissen gehört haben, oder ob die guten Leutchen nicht recht sehr viel Butter zu diesen alten Knaben gebraucht haben! Damit aber niemand auf den Gedanken komme, die Schlettauer Jünger Petri hätten zu damaliger Zeit nur eitel Jagdpech gehabt, so sei noch gemeldet, daß sie anno 1656 einen Hecht unschädlich machten, der die Kleinigkeit von 12 Pfund wog!
Sollte aber bei den vielen Forellen, Lachsen und Aalen irgend einem der Mund recht wässrig geworden sein, so möge zum Schluß noch zur Warnung berichtet sein, wie zu des ehrwürdigen Pfarrers Lehmanns Lebzeiten herum die Fischspitzbuben ihr verbotenes Gelüste büßen mußten! 1530 ertappte man zwei Annaberger beim Fischraub im Schönburgischen. Ernst von Schönburg ließ ihnen die Augen ausstechen! – 1601 versuchten 2 Oberscheibener in den kurfürstlichen Teichen ihr Heil. Man ergriff auch sie! In Schwarzenberg wurden sie gemartert, in Crottendorf dreimal „geprellt“ und des Landes verwiesen! – Wahrlich teure Forellen!
Schlettauer Heimatblätter. 1. Jahrgang, Nr. 10 v. 15. Juni 1926, S. 6 – 8