Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 2 – Sonntag, den 9. Januar 1927, S. 1
Weihnachten ist vorüber und unter Glockenklang ist ein neues Jahr ins Land gezogen. In frohem Jubel sind die alten heiligen Festtage verrauscht, der Alltag hat uns wieder in seiner Gewalt. Aber, Gott lob, wir Erzgebirgler stecken nicht so in dem Ruß und Schmutz dieses Alltages wie die Großstädter. Wenn irgend ein freier Tag, ein Sonntag oder zeitiger Feierabend es uns erlaubt, – dann treten wir hinaus in den Heimatwald eines erzgebirgischen Winters, nach dem sich Tausende und Abertausende sehnen.
„O Ihr glücklichen Erzgebirgler, die Ihr immer inmitten dieses Winter-Märchenlandes lebt, Ihr wißt gar nicht, was Ihr da besitzt; was Ihr besitzt in Eurem Pöhlberg, Fichtelberg, Keilberg, Bärenstein, Scheibenberg und wie sie alle heißen – Eure Berge, die jetzt wie stolze Eisburgen um Euer Heimatstädtchen liegen!“ Ja, so sagen die Großstädter mit Recht zu uns, und kommen auf langer, beschwerlicher Bahnfahrt zu uns herauf, um den Körper in freier Winterluft zu stählen, um Aug‘ und Herzen sattzutränken an den Schönheiten unserer winterlichen Heimat.
Die weite, weiße Fläche der verschneiten Berge lehrt den Blick weiten, macht unsern Horizont wieder weit und klar, schafft in uns die Gewißheit ewiger, reiner Schönheit, eine Gewißheit, die gar oft im Lärm und Qualm der Maschinen zu ersticken droht. Ein Tag nur auf dem Kamm des Erzgebirges in der kalten, klaren Winterluft mit ihrer Härte und Frische gibt für viele Tage des neuen Jahres neue Lebenskraft und inneren sittlichen Halt.
Geht nur einmal von Oberwiesenthal auf Skiern oder mit dem Rodel hinauf auf den Fichtelberg. Was unser Bild zeigt, das schaut Ihr in Natur, die ganze Schönheit des Winters wird in dieser zu Frost erstarrten Natur, in den wunderbaren Rauhreifbildern offenbar. Wenn die mächtigen Tannen unter cder gewaltigen Last des Schnees sich beugen, geheimnisvoll schweigend wie weiße Gespenster durch die sternklare Nacht leuchten, wenn des Rauhreifs Milliarden zarte Nadeln sinken, wenn aus dem Fichtelberghaus ein geheimnisvolles Eisschloß geworden ist, dann geht das ganze Wunder der großen Natur uns in unendlicher Klarheit auf. Dann geht das ganze Wunder der großen Natur uns in unendlicher Klarheit auf. Dann erfahren wir an uns selbst die große Bedeutung, die auch nur wenige Tage und Stunden der Erholung unserer winterlichen Bergwelt bringen. – Was bedeuten solche Stunden in den unendlichen Schneefeldern des Gebirges für die Volksgesundheit? Nur wenige Sportarten stärken Nerven, Muskeln und Lungen gleichzeitig in solchem Maße wie Ski- und Rodelsport oder auch nur die Fußwanderung durch die verschneiten Berge es tun.
Die Wetterpropheten, die Gelehrten von den Observatorien, wie die Bauernpropheten haben diesmal übereinstimmend einen langen und harten Winter verkündet. Noch ist es nichts Rechtes mit der Erfüllung ihrer Prophezeiung. Das Tauwetter, welches nach Neujahr einsetzte, ist nun wieder durch eine neue Frostwelle abgelöst worden. Die Sportbegeisterung unserer jungen Generation, die Sehnsucht der Großstädter, in wiedergewonnenem, engeren Kontakt mit der Natur aus den Fesseln der ewigen Eintönigkeit und nervenaufreibenden Intensität des Großstadtverkehrs sich zu befreien, die langsam einsetzende Wiederbesinnung auf die erzieherischen und Menschen bildenden Werte der Natur werden dazu beitragen, den Wintersport in unserem Erzgebirge erneut zu beleben.
Noch viele Tage des Wintersports liegen vor uns und von ihnen gilt, daß ein Tag Winterurlaub zwei Tagen Sommerurlaub gleichzusetzen ist. Wem irgend Arbeit und Mittel es gestatten, den Lärm der Städte gegen den Frieden der verschneiten Berge einzutauschen, darf um seinetwillen und um der Volksgesundheit willen keine Stunde zögern, der komme herauf in unser winterliches Erzgebirge! Ob Rodel oder Skier, ob in sausender Fahrt über die verschneiten Hänge oder langsam durch die Wunderpracht der schneebedeckten Wälder, jeder Tag in der Winterpracht von Eis und Schnee ist ja Gesundung an Leib und Seele.